

Noch Fragen?
wien.arbeiterkammer.atAK FÜR SIE 06/2015
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im Blick
Ö
sterreich hat seinen Spitzenplatz in
Sachen niedriger Arbeitslosigkeit
abgeben müssen. Und auch das
Wirtschaftswachstum wird geringer sein
als im Europadurchschnitt. Bosse und
Co. meinen jetzt: Österreich sollte sich ein
Beispiel an Deutschland nehmen, beson-
ders an den Hartz-IV-Reformen.
Durch Hartz IV wuchsen die Löhne in
Deutschland viel schwächer. Der deut-
sche gesetzliche Mindestlohn ist mit etwa
1.400 Euro monatlich deutlich niedriger
als der in Österreich per Kollektivvertrag
durchgesetzte. Denn der ergibt unter Be-
rücksichtigung von Urlaubs- und Weih-
nachtsgeld umgerechnet 1.520 Euro
monatlich. Außerdem, so Gustav Horn,
Wirtschaftswissenschaftler der deutschen
Hans-Böckler-Stiftung, sei Hartz IV nicht
entscheidend für den derzeit besseren Ar-
beitsmarkt in Deutschland.
Denn niedrigere Lohnkosten in Deutsch-
land wirkten sich gleichzeitig gut und
schlecht auf die Beschäftigung aus: Zwar
sind die Kosten für die Unternehmen gerin-
ger, aber gleichzeitig gibt es aufgrund der
niedrigeren Löhne weniger Konsum, was
wiederum Arbeitsplätze kostet. Wettbe-
werbsdenken sei aber sowieso fehl am
Platz, so AK Wirtschaftswissenschaftler
Sepp Zuckerstätter: „Deutschland und Ös-
terreich hängen wirtschaftlich eng zusam-
men. Beide können nur gemeinsam erfolg-
reich sein.“
■
K. N.
Kein Erfolgsrezept
Der Wirtschaftsstandort Österreich wird gerne krankgejam-
mert. Hartz IV wie in Deutschland ist aber kein Erfolgsrezept.
Vom wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands kommt weniger bei den Menschen an, wie die
Lohnentwicklung zeigt
Pensionskosten steigen kaum
Der Anteil der Staatsausgaben wird 2060 kaum höher sein als jetzt.
W
er die Nachrichten über die Pen-
sionen verfolgt, bekommt schnell
das Gefühl: Die Kosten wach-
sen uns bald über den Kopf. Aber das ist
falsch, wie eine Studie der EU-Kommissi-
on zeigt, die im Mai veröffentlicht wurde.
Der Anteil der öffentlichen Ausgaben für
die Pensionen steigt, gemessen an der
Wirtschaftsleistung, bis 2060 nur um
0,5 Prozent.
Die Schlüsse, die die EU-Kommissi-
on aus ihrer eigenen Studie zieht, sind
hingegen völlig unverständlich: So sollen
die öffentlichen Pensionsausgaben um
1,3 Prozent sinken. Und das, obwohl der
Anteil älterer Menschen steigen wird.
Das aber würde bedeuten, dass auf die
heute Jungen im Jahr 2060 die Altersar-
mut wartet.
Das öffentliche System wird auf diese
Weise schlechtgeredet – eine indirekte
Werbung für private Pensionsversiche-
rungen, die aber von den Finanzmärkten
abhängig und somit riskant sind. Wäh-
rend die viel geschmähte öffentliche Pen-
sionsversicherung auf die bewährte Soli-
darität der ArbeitnehmerInnen mit den
PensionistInnen baut.
■
K. N.
I
n den Verhandlungen zwischen Grie-
chenland und den KreditgeberInnen
geht es im Kern darum, ob die breite
Bevölkerung noch mehr bluten muss. Die
griechische Regierung ist auf fast alle For-
derungen eingegangen: Es gibt Budget-
überschüsse, eine unabhängige Steuer-
behörde, aber auch Privatisierungen und
Liberalisierungen.
Bereits bisher hat Griechenland ex-
trem gespart
– bei öffentlichen Dienst-
leistungen, Gesundheits- und Sozialausga-
ben, Pensionen und Gehältern. Das Kollek-
tivvertragssystem wurde zerschlagen.
Aber: Die Gegenseite will mehr
und
dabei die breite Bevölkerung treffen. Sie
gibt sich nicht mit Budgetzielen zufrie-
den, sondern fordert weitere empfindliche
Pensionskürzungen. Die Regierung lehnt
dies ebenso ab wie einen weiteren Abbau
von Arbeitsrechten, die Beschränkung des
gewerkschaftlichen Einflusses und noch
niedrigere Löhne – der Mindestlohn beträgt
jetzt schon nur 511 bis 586 Euro.
Dabei zeigen die letzten fünf Jahre:
Diese Krisen-Politik der Troika ist geschei-
tert. Die Wirtschaft ist seit Beginn der Krise
um ein Viertel eingebrochen, mehr als die
Hälfte der jungen Men-
schen ist ohne Arbeit.
Wo Griechenland
nicht mitkann
Wirtschaft
klipp&klar
Miriam Rehm (PhD)
AK Wien, Abteilung Wirtschafts-
wissenschaft und Statistik
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Filmvorführung und Diskussion
„Macht ohne Kontrolle – die Troika“
15. Juni 2015, 17.30 Uhr, AK Bildungszentrum
Theresianumgasse 16-17, 1040 Wien
Wirtschaftsjournalist und Bestseller-
Autor
Harald Schumann
(Bild) diskutiert
anschließend mit
Harald Waiglein,
Leiter
der Sektion Wirtschaftspolitik und Finanz-
märkte im Finanzministerium.
Lohnplus im Vergleich
4,7
2,6
2000 bis 2014,
abzüglich Teuerung
Deutschland
Österreich