Wirtschaft & Umwelt 2/2015
Seite 15
Imperiale Lebensweise
Gutes leben? Eine globale Frage!
W
enn sie kein Brot haben, dann sollen
sie doch Kuchen essen!“ DiesesMarie
Antoinette zugeschriebene Zitat verdeut-
licht die politische Brisanz von Fragen des
guten Lebens für alle. Inwiefern bedingt
das gute Leben einiger das Leiden ande-
rer? Viel stärker noch als im Westeuropa
des 18. Jahrhunderts hat das gute Leben
für alle heute eine globale Dimension.
Diese Dimension wird vom Begriff der
„imperialen Lebensweise“ analytisch
erfasst. Im Kern geht es darum, dass die
meist unbewussten Konsumpraktiken der
Menschen im „Globalen Norden“ in vielen
Fällen auf dem Zugang zu Ressourcen
und Schadstoffsenken sowie billiger Ar-
beitskraft im „Globalen Süden“ basieren.
Allerdings: Die imperiale Lebensweise
wird tendenziell von allen gelebt, nicht
nur von ökonomisch Wohlhabenden. Sie
wird durch die Produktion von Unter-
nehmen ermöglicht und von der Politik
abgesichert.
Ein Beispiel: Der durch Sklavenarbeit
und Monokultur billig verfügbare Zucker
führte im Europa des 18. und 19. Jahr-
hunderts zur Entstehung neuer Alltagsge-
wohnheiten: Zum Trinken von gesüßtem
Tee, Kaffee und Kakao, aber auch zum
Konsum von Limonaden, Speiseeis und
anderen zuckerhaltigen Produkten. Die
Abholzung von Regenwald für Zucker-
rohrplantagen und die Arbeitsbedingun-
gen der Sklaven sind in diesen Produk-
ten nicht sichtbar. Verallgemeinert sich
jedoch ihr Konsum, erhöht sich auch der
soziale und ökologische Druck.
Heute sind Erdöl, Palmöl, seltene Erden
und viele weitere Ressourcen fester
Bestandteil unseres Alltagshandelns.
Auch im Smartphone oder in Billigjeans
sind soziale und ökologische Gewalt
unsichtbar. Statt jedoch diese imperialen
Verhältnisse zu verändern, werden sie als
vermeintliches Vorbild eines erstrebens-
werten Lebens in alle Welt exportiert.
Doch diese Lebensweisen sind nicht
verallgemeinerbar. Darum findet ein
globaler Verteilungskampf statt, in dem
der „Globale Norden“ seine Ansprüche
mittels ungleicher ökonomischer Bezie-
hungen oder institutionalisiertem Zwang
(WTO) sowie gegebenenfalls mit militäri-
scher Gewalt absichert.
Das Konzept der „imperialen Lebens-
weise“ führt uns vor Augen, dass es
beim „guten Leben“ um andere Produk-
tionsbedingungen geht, um eine andere
Verteilung und um andere Konsumge-
wohnheiten – nicht darum, dass für alle
genügend Kuchen da ist.
Beim guten Leben für alle geht es um globale politische
Fragen: Nord-Süd Beziehungen, Machtfragen und
kollektive Lebens- und Entwicklungsweisen.
Unmenschliche Arbeitsbedingungen und Umweltzerstörung sind in den Produkten nicht sichtbar
*Daniel Buschmann
ist Student der Politikwissen-
schaft und Praktikant in der
Abteilung Umwelt & Verkehr
der AK Wien.