

lennium Development Goals (bis 2015)
als auch die anschließenden Sustaina-
ble Development Goals nennen einen
Ausbau von sicheren und zugänglichen
Trinkwasserversorgungssystemen als
zentrale Entwicklungsziele. Auch Ös-
terreich investiert in diesen Bereich: so
wurden 2015 rund 13,5 Prozent des
Budgets der Österreichischen Entwick-
lungszusammenarbeit für Projekte rund
um Trinkwasser- und Abwasserma-
nagement verwendet.
Recht auf Trinkwasser
Ein gemeinsames Monitoringpro-
gramm von UNICEF und WHO berichtet
über Fortschritte in einer großen Zahl an
Ländern. Erfolge gibt es aber vor allem
in urbanen Gebieten. Rund 700 Millio-
nen Menschen weltweit sind aber im-
mer noch auf weit entfernte oder unsi-
chere Trinkwassersysteme angewiesen.
Am stärksten betroffen: arme Bevölke-
rungsgruppen amLand. Hier liegt global
gesehen die Wahrscheinlichkeit, über
Leitungswasser bzw. einen Hausbrun-
nen zu verfügen, nur bei 15 Prozent. Hö-
herer Wohlstand und das Leben in der
Stadt erhöhen die Wahrscheinlichkeit
enorm. Der Ausbau von Wasserversor-
gungssystemen stimmt zuversichtlich.
Gleichzeitig muss jenen Gefährdun-
gen entgegengetreten werden, die die
Wasserkrise schüren: dem enormen
Wasserverbrauch unseres Lebensstils,
dem Klimawandel und den Tendenzen,
Konzerninteressen über menschliche
Grundbedürfnisse zu stellen.
¨
Marginalisierte Gruppen
und Minderheiten sind
für ihre Wasserrechte auf
eine starke nationale und
internationale Verankerung
dieser Rechte angewiesen.
www.arbeiterkammer.atWirtschaft & Umwelt 2/2016
Seite 21
Was bedeutet das Menschenrecht
auf Wasser?
Barlow:
Es war ein Durchbruch, als
die UN-Generalversammlung das
Menschenrecht auf Wasser be-
schloss, viele der englischsprachigen
Länder waren dagegen, wie auch
die Weltbank, der Weltwasserrat, die
großen Wasserkonzerne und privaten
Wasserversorger. Ich war Beraterin
von Miguel d´Escoto Brockman, Prä-
sident der UN-Generalversammlung
im Jahr zuvor und wir arbeiteten eng
mit Pablo Solon, dem bolivianischen
UN-Botschafter zusammen, um
diese Frage auf die Tagesordnung
der Generalversammlung zu setzen.
Es war ein wichtiger Schritt: Künftig
können die Staaten dieser Welt und
ihre Bevölkerung daran glauben, dass
niemandem das Recht auf Wasser
abgesprochen werden kann.
Welche weltweiten Herausforde-
rungen sehen Sie?
Barlow:
Es gibt drei große Her-
ausforderungen: Zum einen gibt es
eine ökologische Wasserkrise – in
vielen Regionen der Welt gehen die
Wasservorräte zurück. Das macht
Wassergerechtigkeit schwieriger, da
der Wettbewerb für diese knappe
Ressource zunimmt. In Ländern wie
Syrien, wo es bereits Konflikte gibt,
ist dies umso schlimmer. Zweitens:
mit steigendem Wasserverbrauch
und steigender Armut in der soge-
nannten „Ersten Welt“ beobach-
ten wir Wassersperrungen durch
Versorger in Europa als eine Folge
der Austeritätsmaßnahmen. Viele
Menschen in Amerika erleben das-
selbe, so beispielsweise in Detroit.
Schließlich werden derzeit Freihan-
delsabkommen wie CETA, TTIP und
TiSA ausverhandelt, die Menschen-
und Umweltrechtschutz zu Gunsten
transnationaler Konzernprofite in
Frage stellen.
Was können Industriestaaten wie
Kanada oder Österreich tun?
Barlow:
Kanada oder Österreich sind
im Vergleich zu anderen Staaten mit
viel Wasser gesegnet. Sie müssen
auf diese Ressource achten, sich
für die Prinzipien Wassergerech-
tigkeit, Vertrauen in die öffentliche
Wasserversorgung und nachhaltigen
Umgang mit Wasser in allen Politik-
feldern einsetzen – etwa bei Wasser-
bereitstellung, Quellwasserschutz,
Herstellung von Lebensmitteln,
Energieproduktion oder grenzüber-
schreitendem Handel. Wir müssen
dafür sorgen, dass unsere Hilfsgelder
in den Ländern des Südens für die öf-
fentliche Wasserversorgung und den
Schutz der ArbeitnehmerInnen in die-
sem Sektor verwendet werden und
nicht dafür, private, profitorientierte
Wasserkonzerne zu unterstützen.
Stellen Freihandelsabkommen eine
Gefahr für Trinkwasser dar?
Barlow:
Wir in Kanada leben mit dem
Nordamerikanischen Freihandelsab-
kommen (NAFTA) seit mehr als 20
Jahren. Wir können euch sagen, dass
die amerikanischen Unternehmen
es erfolgreich genützt haben, um
Gesetze zum Schutz des Wassers
und der Umwelt zu untergraben, aber
auch den Anspruch von Wasser-
rechten in einer kanadischen Provinz
durchzusetzen. CETA, TTIP und TiSA
bringt NAFTA nach Europa, damit das
Recht der Konzerne, Regierungen zu
klagen. Diese Freihandelsabkommen
sind ein Fehler.
Interview mit der kanadischen Bürgerrechtlerin Maude Barlow
Wasser als Menschenrecht
Der Zugang zu Trinkwasser wurde 2010 von der UNO als Menschenrecht
anerkannt. Was ist notwendig, um dieses Recht einzulösen?
Maude Barlow
ist weltweit zum Thema Wasser tätig und hat an dieser UN-Charta aktiv
mitgewirkt.
*Maude Barlow
ist Gründerin des Council of the Canadians, der größten
NGO Kanadas, Trägerin des Right Livelihood Award („Alternativer Nobel-
preis“) und Autorin vieler Studien und Bücher.