

Wirtschaft & Umwelt 2/2018
Seite 29
Auch die neue Energie- und Klimastrate-
gie der österreichischen Bundesregierung
hat das Leuchtturmprojekt „Güterverlage-
rung von der Straße auf die Schiene“
prominent im Programm. Dahinter steht
die richtige Annahme, dass der Güter-
transport auf der Schiene einfach
energieeffizienter ist. Laut Europäischer
Umweltagentur (EEA) braucht es dafür 16
Gramm, während bei einem Lkw 140
Gramm CO
2
pro Tonnenkilometer anfallen.
Allen Sonntagsreden zum Trotz stagniert
oder sinkt sogar der Schienengüterverkehr
in der EU. Österreich beweist aber mit
seinem hohen Schienenmarktanteil, dass
der Trend zur Straße kein „Naturgesetz“
für hochentwickelte und arbeitsteilige
Volkswirtschaften sein muss (siehe
Diagramm). Grund ist die konsequente
Förderung von Anschlussgleisen bei
Unternehmen in Österreich, die in
Österreich rund 2.000 km ausmachen.
Erst Schienen vor Ort am Werksgelände
sorgen dafür, dass Güter nicht später
aufwendig vom Lkw auf die Schiene (z.B.
im kombinierten Verkehr) umgeladen
werden müssen und die Schiene wettbe-
werbsfähig bleibt.
Die EU-Liberalisierung des Schienengüter-
verkehrs hat keine Trendwende zu mehr
Gütern auf der Schiene eingeleitet. Im
Gegenteil, der Wettbewerb zwingt Bahnen
sogar diese „unrentablen Streckenab-
schnitte“ („Rückzug aus der Fläche“) zu
schließen (siehe Diagramm 2). Bis heute
ignorieren die verkehrspolitischen Ansätze
der EU (z.B. Ausbau der transeuropäi-
schen Netze und Mobilitätspakete) diese
Komponente. Selbst beim Dachverband
der Europäischen Eisenbahnen (GEB) gibt
es heute nicht einmal mehr statische
Daten über dieses Netz.
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Österreich Deutschland Italien Frankreich Schweiz
EU -28
Durchschnitt
Güterverkehrsanteile im Landverkehr nach Verkehrsträgern (2015)
Straße
Schiene
Binnenschifffart
Pipeline
VON DER STRASSE AUF DIE SCHIENE VERLAGERN
DIE ERSTE MEILE ENTSCHEIDET
Häfen geltende 150 km Radius
für Straßenvor- und –nachlauf
auf Bahnterminals ausgedehnt
sowie eine Ausweitungsmöglich-
keit dieses Radius um 20 % der
Gesamtstrecke vorgesehen. Wie
lassen sich solche Änderungs-
vorschläge vor dem Hintergrund
schöner Erwägungsgründe argu-
mentieren?
Löblich ist, dass die EK auch
die Hebung der Straßenver-
kehrssicherheit, die Verbesse-
rung der Arbeitsbedingungen
und des sozialen Schutzes der
LenkerInnen im Straßenverkehr
als Ziele anführt. Die tatsächlich
vorgelegten Regeländerungen
lassen aber weder die Erreichung
dieser Ziele noch eine Wende hin
zu einer nachhaltigen Verkehrs-
politik am EU-Güter- und Perso-
nenverkehrsmarkt erkennen.
Abwärtsspirale bei Löhnen
und Arbeitsbedingungen
Grundsätzlich gibt es in
Europa seit Jahrzehnten eine
Liberalisierung des Straßengü-
tertransports. Mit Entschlos-
senheit wurde die Abschaffung
technischer, administrativer oder
ordnungspolitischer Hürden
vorangetrieben. Der Libera-
lisierungsprozess ging jedoch
keineswegs mit einer Harmo-
nisierung der Beschäftigungs-
und Sozialstandards einher. Im
Gegenteil: Unternehmen nutzen
Schlupflöcher in der zunehmend
unübersichtlichen Regulierung
grenzüberschreitender Arbeits-
verhältnisse oder Vorschriften,
um bei Lohn- und Sozialstan-
dards ihrer Beschäftigten einzu-
sparen.
Für Lkw-FahrerInnen herrscht
harter Wettbewerb, extremes
Lohndumping prägen das Be-
rufsbild: Niedrigst-Löhne aus
Südosteuropa sind der Maßstab
für die Einkommenssituation.
Zur besseren Orientierung: Im
Straßengüterverkehr liegt der
BAK-Position zur Klima- und
Energiestrategie
Finanzierung, Verteilung und Beschäftigung
sind für die Regierung kein Thema – mehr dazu:
https://wien.arbeiterkammer.at/klimaQUELLE: EUSTAT
reduzierter Betrieb / gefährdet
in Betrieb
weitgehend aufgelassen
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Anschlussbahnen in Europa
QUELLE: OEBB/WOLFGANG RAUH