WIRTSCHAFT & UMWELT 3/2015
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WETTBEWERB
NICHT AUF KOSTEN DER BESCHÄFTIGTEN
D
er Wettbewerb im öffentlichen Ver-
kehr wird härter, und die Zahl der Aus-
schreibungen im regionalen Busverkehr
in den Bundesländern nimmt stetig zu.
Leider werden alle diese Ausschreibungen
ohne Rücksicht auf den auch in der ent-
sprechenden EU-Verordnung 1370/2007
geregelten Schutz der Beschäftigten
durchgeführt. Seitens der Europäischen
Kommission liegt es in der Kompetenz
der Mitgliedstaaten, für Sozial- und Qua-
litätsstandards zu sorgen und auch die
Regeln des Betriebsübergangs zum
Schutz der Rechte der Beschäftigten
anzuwenden. Da es sich nur um ein
Angebot, d.h. eine Kann-Bestimmung
handelt, lehnen die ausschreibenden
Stellen alles ab, was über die einfa-
che Vergabe mit einem Vergleich der
Preise hinausgeht. Durch eine ver-
bindliche gesetzliche Verankerung
wären ausschreibende Stellen in der Lage,
nicht nur das billigste Angebot, sondern
unter Vorgabe und Berücksichtigung
von Sozial und Qualitätsstandards
das beste Angebot zu finden. Nur so
sind überhaupt ein Vergleich und eine
Bewertung der Angebote möglich. Die
Anwendung des Betriebsübergangs wür-
de verhindern, dass sich die Arbeits- und
Entlohnungsbedingungen der betroffe-
nen LenkerInnen von Ausschreibung zu
Ausschreibung verschlechtern und das
Lohnniveau immer weiter sinkt. Es kann
und darf nicht sein, dass der Wettbewerb
über die Personalkosten ausgetragen
wird.
Ein vom Verkehrsminsterium (BMVIT) vor
kurzem online gestellter Handlungsleitfa-
den zur Anwendung von Sozial- und Qua-
litätskriterien bei der Vergabe öffentlicher
Verkehrsdienstleistungsaufträge ist zwar
nicht verbindlich, nimmt den Ländern aber
die Möglichkeit, Kosteneinsparungen auf
dem Rücken der Beschäftigten durch-
zusetzen und die Verantwortung auf den
Bund abzuschieben. Das BMVIT hat da-
mit die Länder in Zugzwang gebracht und
so veranlasst, die politische Verantwor-
tung für Ausschreibung ohne Sozial- und
Qualitätskriterien zu übernehmen. Der
Leitfaden zum Betriebsübergang steht
noch aus.
Da in Zukunft durch das 4. Eisenbahnpaket
der Schienenverkehrsmarkt ebenfalls dem
Ausschreibungszwang unterworfen wer-
den soll, drohen die geschilderten Proble-
me mit all ihren Folgewirkungen auch die
Bahn und vor allem die Beschäftigten der
ÖBB und aller anderen österreichischen
Bahnen zu betreffen.
Bei Ausschreibungen müssen Sozial- und Qualitäts-
kriterien und der Personalübergang zur Regel werden –
am besten verbindlich gesetzlich vorgeschrieben.
Hohe Qualität im öffentlichen Verkehr ist ohne gute Arbeitsbedingungen nicht denkbar
*Mag.
a
Doris Unfried
ist
Betriebswirtin und Mitarbei-
terin der Abteilung Umwelt &
Verkehr der AK Wien.