Background Image
Previous Page  21 / 36 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 21 / 36 Next Page
Page Background

Siedlungsdichten verringern die Distan-

zen, erleichtern die Nahversorgung, er-

möglichen ein dichtes ÖV-Angebot und

erschweren denGebrauch des Pkw, weil

wenig Parkraum zur Verfügung steht.

Hohe Siedlungsdichten sind damit gut

für das zu Fuß gehen, das Radfahren

und die Nutzung des ÖV. Niedrige Dich-

ten wie in Einfamilienhausgebieten för-

dern hingegen den Pkw-Gebrauch. Hier

wäre ein Bereich für die Raumplanung,

stärker als bisher einzugreifen: den Aus-

bau von Einkaufszentren auf der grünen

Wiese zu unterbinden, die Nahversor-

gung zu stärken und mit Wohnbaugel-

dern nur mehr dichte Siedlungsformen

zu fördern.

Die Reduzierung von Straßenverkehr

in der Stadt hat auch eine soziale Kom-

ponente. BewohnerInnen an Hauptver-

kehrswegen in der Stadt sind auf Grund

ihrer geringen Einkommen oft gezwun-

gen, in unattraktiven Lagen zu woh-

nen. Während diese BewohnerInnen in

hohen Siedlungsdichten wohnen und

damit selber wenig Emissionen verur-

sachen, leiden sie vor allem an jenem

Verkehr, der zu einem hohen Anteil von

BewohnerInnen des Stadtrands und der

ländlichen Region verursacht werden.

In diesem Licht erscheint es an der

Zeit, die Förderung von Wohnraum

stärker an Mindestanforderungen an

Lage und Dichte zu knüpfen. Auch die

stärkere Besteuerung des knappen

Guts Umwelt kann die Umweltsituation

wesentlich verbessern und langfristig

eine ressourcenschonende und sozial

gerechtere Gesellschaft ermöglichen.

¨

Seit Inbetriebnahme der

neuen Westbahnstrecke

(2012) nahmen die

Fahrgastzahlen um 45

Prozent zu, gleichzeitig hat

der Straßenverkehr auf der

A1 leicht abgenommen.

www.arbeiterkammer.at

Wirtschaft & Umwelt 3/2015

Seite 21

Kinder werden sehr oft mit

dem Auto zur Schule oder

Freizeitveranstaltung gebracht.

Warum?

Unbehaun:

Die Gründe sind viel-

schichtig. Im ländlichen Raum fehlt

häufig die Abstimmung zwischen

Schulanfangs- und -endzeiten und

der Busankunfts- und -abfahrtszei-

ten. Häufig ist die Beaufsichtigung

vor Schulbeginn ungeklärt, eben-

so wie die „last-mile“ zwischen

Wohnung und Haltestelle. Zum Teil

fehlt es an Fuß- und Radwegen, auf

denen Kinder selbständig und sicher

unterwegs sein können, und die

Bedienungsqualität im öffentlichen

Verkehr entspricht nicht den Zielen

und Zeiten der Freizeitaktivitäten.

Nicht selten werden Fahrzeiten

gegen Familienzeiten aufgerechnet.

Dann stellt das Auto eine sichere

und flexible Alternative zu Ver-

kehrsrisiken, festen Abfahrts- und

längeren Fahrzeiten dar.

Wer erledigt meist diese Wege

mit den Kindern?

Unbehaun:

Frauen haben signifi-

kant mehr Bring- und Holwege als

Männer. Die Wege von Personen,

die für das Hinbringen und Abholen

verantwortlich sind, sind zahlreicher

und werden je nach Verkehrsange-

bot in vielfältiger Form zurückgelegt.

Während im großstädtischen Umfeld

für Bring- und Holwege unterschied-

liche Verkehrsmittel wie Zufußge-

hen, Radfahren und der öffentlichen

Verkehr genutzt werden, dominiert

im ländlichen Raum das Auto. Häu-

fig steht das Auto der betreuenden

Person zur Verfügung. Nicht selten

übernimmt diese nicht nur das Ho-

len und Bringen der Kinder, sondern

auch das von anderen erwachsenen

Haushaltsmitgliedern.

Die MitfahrerInnen von heute sind

die SelbstfahrerInnen von mor-

gen. Kann gut gemeinte Hilfe ein

Nachteil sein?

Unbehaun:

Aus Angst vor Verkehrs-

unfällen und Gründen der Alltagsop-

timierung legen immer weniger Kin-

der ihre Wege unabhängig von ihren

Eltern zurück. Fehlende Übung kann

zu späterer Unsicherheit im Straßen-

verkehr führen. Aktive eigenständige

Mobilität schafft Selbstbewusstsein,

senkt das Risiko für motorische

Defizite und unterstützt die Selbst-

ständigkeit und Kontaktfähigkeit der

Kinder. Das Mobilitätsverhalten der

Eltern bestimmt nicht nur direkt das

Mobilitätsverhalten der Kinder, son-

dern beeinflusst nachhaltig deren

spätere Verkehrsmittelwahl.

Was kann man Kindern mitgeben,

damit sich Eltern sicherer fühlen?

Unbehaun:

Autonome Mobilität

schafft Selbstbewusstsein. Eltern

sollten den natürlichen Bewegungs-

drang und Wunsch nach Eigen-

ständigkeit unterstützen und mit

ihrem Kind gemeinsam schauen,

was alleine bewältigt werden kann.

Sichere Wege können gemeinsam

ausgewählt und geübt werden. In

kurzen Merksätzen können Verhal-

tensregeln für einzelne Verkehrssitu-

ationen leicht abrufbar umschrieben

werden. Wenn es dann losgeht,

sollte genügend Zeit für den Weg

eingeplant werden.

www.bmvit.gv.at/verkehr/strasse/

sicherheit/downloads/sichererschul-

weg.pdf

INTERVIEW MIT DER RAUMPLANERIN WIEBKE UNBEHAUN

UNSELBSTÄNDIGE MOBILITÄT

Ein Hauptargument für die häufig zu bemerkende unselbständige Mobilität

von Kindern und Jugendlichen ist oft, dass der Straßenverkehr zu gefähr-

lich sei und diese deswegen mit dem Auto durch die Gegend gefahren

werden müssten. Wo liegen die Probleme?

*Dipl.-Ing.

in

Wiebke Unbehaun

ist Raumplanerin und Senior Scientist

am Institut für Verkehrswesen der Universität für Bodenkultur Wien. Ihre

fachlichen Schwerpunkte sind Mobilitätsforschung und nachhaltiges

Mobilitätsmanagement.