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viduellen Gesundheit und Vulnerabilität

sollen in einen Zusammenhang mit der

Exposition amWohnort (bspw. Luftquali-

tät, Lärmbelastung) gebracht werden. In

diesem Sinne werden in Modellregionen

unter demBegriff „Umweltgerechtigkeit“

bereits systematisch Daten zu raumbe-

zogenen Gesundheitsbelastungen mit

Daten zum sozio-ökonomischen Status

– wie Einkommen und Bildung – ver-

knüpft (siehe Kasten Seite 13).

Ungleich oder ungerecht?

Im Lichte der Umweltgerechtigkeits-

diskussion sollen gesundheitsschäd-

liche Umweltbelastungen möglichst

verhindert oder gemindert werden, un-

vermeidbare Belastungen sind „gerecht“

zu verteilen. Zumindest hier drängt sich

jedoch die Frage auf, wie Gerechtigkeit

zu beurteilen ist? Ist in Gesundheitsfra-

gen Ungleichheit gleichbedeutend mit

Ungerechtigkeit? Würde die Einhaltung

von Mindeststandards bereits für ein

höheres Maß an Gerechtigkeit sorgen?

Wer trägt die Kosten für die Beseitigung

oder Minderung der Umweltbelastung?

Reicht es aus, wenn die Betroffenen an

der Entscheidungsfindung beteiligt sind

oder über Wahlmöglichkeiten verfügen?

erweitert. Da für die USA Umwelt-

und Sozialdaten kleinräumig verfügbar

sind, lässt sich beispielsweise zeigen,

dass Schwarze in ihrer Wohnumgebung

überproportional mit Luftschadstoffen

der Industrie belastet sind. Mittlerweile

liegen derartige Analysen für zahlreiche

soziale und ethnische Gruppen, konkre-

te Belastungen – bis zu kontaminierten

Lebensmitteln – sowie unterschiedliche

Betrachtungsräume vor. In den späten

1990er Jahren hat die Diskussion zu

umweltbezogener Gerechtigkeit über

Großbritannien schließlich den Weg

nach Europa gefunden. Insbesonde-

re die schottische Labour-Regierung

nahm sich während ihrer Regierungszeit

von 1999-2005 – in enger Kooperation

mit der Umwelt-NGO „Friends of the

Earth“ und unter Einbindung wissen-

schaftlicher Expertise – des Problems

schichtspezifischer Umweltbelastun-

gen an. Für westeuropäische Verhält-

nisse waren die Problemlagen – u.a.

Varianz der Lebenserwartung, Energie-

armut – dort auch besonders massiv. In

Deutschland werden die Zusammen-

hänge zwischen Umweltqualität, sozi-

aler Ungleichheit und Gesundheit seit

der Jahrtausendwende wieder stärker

thematisiert. Während sich die Diskus-

sionen in den einschlägigen sozial- und

gesundheitswissenschaftlichen Diszi-

plinen lange um Umwelteinstellungen

und individuelles Gesundheitsverhalten

drehten, werden Umweltaspekte wie-

der stärker als entscheidende Faktoren

von ‚health inequality‘ wahrgenommen.

Zunehmend widmen sich wissenschaft-

liche Publikationen und Tagungen den

klassischen Themen der öffentlichen

Gesundheitsvorsorge wie den Auswir-

kungen ungesunder Wohnumgebungen

auf Asthma, Allergien oder stressbe-

dingte Erkrankungen. Fragen der indi-

*

Unser Standpunkt

Umweltbezogene Gerechtigkeit erfordert

¢

Chancengleichheit bei umweltbezogenen Gesundheits-

fragen und Mitspracherechte bei der Gestaltung der

persönlichen Lebensumwelt

¢

Berücksichtigung von Verteilungsaspekten in der Klima-

politik

¢

Förderung klimafreundlicher und leistbarer Mobilitäts-

und Wohnformen

Klimaziele: Sind Verteilungskonflikte unvermeidbar?

Schwerpunkt

Umwelt und

Verteilungs­

gerechtigkeit

www.ak-umwelt.at

Seite 12

Wirtschaft & Umwelt 3/2016

FOTOS: iStock/rrodrickbeiler (1)