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nur zwischen PKW-Anschaffung und

laufendem Betrieb unterschieden wird,

ist lediglich eine erste sehr grobe Annä-

herung und nicht die exakte Erfassung

der Verteilungseffekte einzelner Steu-

ern auf den Individualverkehr möglich.

Die Daten der Konsumerhebung legen

nahe, dass Steuern auf die Anschaffung

von PKW insgesamt progressiv wirken,

da PKW-Besitz und deren Anzahl pro

Haushalt stark mit dem Einkommen

korrelieren. Die anteiligen Ausgaben für

den laufenden Betrieb sinken jedochmit

dem Haushaltseinkommen, entspre-

chende Steuern sollten also regressive

Effekte haben.

Unbefriedigende Debatte

Die unbefriedigende Datenlage er-

schwert eine evidenzbasierte und

sachliche Debatte über Umweltsteu-

ern. Zudem wird oft nur über einzelne

Steuer(erhöhunge)n diskutiert, Aus-

gleichsmaßnahmen dagegen werden

vernachlässigt: Erstens innerhalb des

Abgabensystems, da mit zusätzlichen

Einnahmen aus höheren Umweltsteuern

gerade die unteren Einkommen entlas-

tet und so unerwünschte Verteilungswir-

kungen aus der Umweltsteuererhöhung

ausgeglichen werden können. Zweitens

in Form von gezielten Transfers an die

unteren Einkommen oder – lenkungs-

politisch effektiver – von Maßnahmen,

die steuervermeidende und damit um-

weltschonende Anpassungsreaktionen

erleichtern (wie der Ausbau der öffentli-

chen Verkehrsmittel).

¨

Die Darstellung des

Zusammenhangs

zwischen Umwelt und

Verteilung ist nicht

trivial, und eine sachliche

Auseinandersetzung

benötigt belastbare

empirische Grundlagen.

www.arbeiterkammer.at

Wirtschaft & Umwelt 3/2016

Seite 21

Wo liegen Ihrer Meinung nach die

Gründe dafür?

Högelsberger:

Von den zwölf größ-

ten Unternehmen der Welt sind neun

Öl- oder Autokonzerne. Sie bestim-

men die Weltpolitik und wollen ma-

ximale Profite. Das erklärt, warum

sich beim Klimaschutz bislang so

wenig getan hat. Der Klimawandel

ist also so etwas wie globaler Klas-

senkampf von oben nach unten. In

Österreich ist die Lage ähnlich; man

denke nur an die Einflussmöglich-

keiten und politischen Querverbin-

dungen von OMV, voestalpine oder

Magna. Außerdem hatten Gewerk-

schaften und UmweltschützerInnen

seit den Auseinandersetzungen um

das Atomkraftwerk Zwentendorf

und das Wasserkraftwerk Hainburg

über lange Zeit keine gute Ge-

sprächsbasis. Sie konnten dadurch

die Gemeinsamkeiten ihrer Anliegen

nicht erkennen.

Sie haben während Ihrer Zeit bei

Global 2000 die Studie „Soziale

Aspekte von Climate Change

Impacts“ beauftragt. Wurden die

Ergebnisse politisch aufgegriffen?

Högelsberger:

Die Ergebnisse waren

ja eindeutig: Ärmere Menschen in

Österreich verursachen weniger CO

2

-

Emissionen als die Reichen, leiden

aber mehr unter den Folgen des

Klimawandels. Wir fanden also auf

österreichischer Ebene dieselben Me-

chanismen wie im globalen Maßstab.

Wir schickten die Studie breit aus

und dachten, damit allen progres-

siven Kräften eine wissenschaftlich

fundierte Steilvorlage geliefert zu ha-

ben. Feedback und Interesse waren

aber gering.

Wie hat Ihr beruflicher Rollenwech-

sel Ihre Perspektive verändert?

Welche Themen aus dieser Zeit

konnten Sie in Ihre gewerkschaftli-

che Arbeit mitnehmen?

Högelsberger:

Eine meiner ersten

Tätigkeiten bei der vida war es,

diese GLOBAL 2000-Studie auszu-

packen, die monatelang ungeöffnet

und ungelesen im Büro herumlag!

Ich habe meine Anstellung als Auf-

trag verstanden, Anliegen für gute

Arbeitsplätze und Umweltschutz zur

Deckung zu bringen. Im Fall einer

Verkehrsgewerkschaft wie der vida

wären dies: Ausbau von Öffis und

Bahn bei gleichzeitigem Zurück-

drängen des Kfz-Verkehrs, Kosten-

wahrheit, Nachtzüge statt Kurzstre-

ckenflüge usw. Sehr hilfreich war die

Gründung des Bündnisses „Wege

aus der Krise“, in dem Gewerk-

schaften, Umwelt- und Sozial-NGOs

genau an solchen Themen arbeiten.

Wo liegen in Ihren Augen die wich-

tigsten Handlungsfelder für die

Schaffung von mehr „Umweltge-

rechtigkeit“ in der Zukunft?

Högelsberger:

Die Ausbeutung von

Menschen und Natur gehen Hand

in Hand. Ich bin überzeugt, dass

soziale Gerechtigkeit und konse-

quenter Klimaschutz im neoliberalen

Kapitalismus nicht möglich sind.

Statt ungehemmten Konsumismus

(immer das neueste Smartphone)

benötigen wir ein gutes Leben für

alle. Der Wirtschaftskuchen muss

nicht wachsen, sondern nur besser

und gerechter verteilt werden!

Ein erster Schritt wäre eine ökosozi-

ale Steuerreform sowie Vermögen-

steuern.

Interview mit Heinz Högelsberger von der vida

Soziale Folgen des Klimawandels

Heinz Högelsberger

beauftragte im Rahmen seiner früheren Tätigkeit bei

Global 2000 die Studie „Soziale Aspekte von Climate Change Impacts“. Wir

fragten ihn, warum in Österreich Umweltpolitik und Fragen sozialer Gerech-

tigkeit selten gemeinsam thematisiert werden.

*Dr. Heinz Högelsberger

hat Erdwissenschaften studiert und war lange

in der Umweltbewegung (Greenpeace, GLOBAL 2000) tätig. Seit 2009 in

der Gewerkschaft vida für verkehrs- und umweltpolitische Grundlagen-

arbeit zuständig.