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Wirtschaft & Umwelt 1/2015
I
m vergangenen Herbst wurde der
„Österreichische Sachstandsbericht
Klimawandel 2014“ veröffentlicht, das
Produkt der mehrjährigen Zusammen-
arbeit von etwa 240 WissenschaftlerIn-
nen. Nach demVorbild der internationa-
len Klimaberichte des zwischenstaat-
lichen Ausschusses für Klimawandel
(IPCC-Berichte) trägt er bestehendes
Wissen zum Klimawandel in Österreich,
zu dessen Auswirkungen und zu den
Erfordernissen und Möglichkeiten der
Minderung und Anpassung zusammen
(siehe auch „Wirtschaft und Umwelt“
4/2014).
Der Umschlag dieses fast 1.100 Sei-
ten starken Berichts zeigt eine Welt-
karte, in deren Mitte – durch eine Lupe
vergrößert hervorgehoben – Österreich
liegt; rote Pfeile unterschiedlicher Stär-
ke führen von den verschiedenen Welt-
gegenden nach Österreich, weiße aus
Österreich in diese Weltregionen. Was
das Umschlagbild zeigt, erschließt sich
nicht unmittelbar. Auf Seite 985 des
Berichts findet sich die Grafik wieder,
diesmal ausführlich kommentiert. Es
handelt sich umdie CO
2
-Ströme imWa-
renhandel aus bzw. nach Österreich für
die jeweiligen Weltregionen, wie Muñoz
und Steininger sie mit den Daten für das
Jahr 2004 errechnet haben. Dargestellt
sind also die CO
2
-Emissionen, die bei
der Produktion der Güter im Ausland
anfallen, die in der Folge nach Öster-
reich importiert werden, sowie – im um-
gekehrten Fall – die CO
2
-Mengen, die in
Österreich bei der Produktion der Güter
emittiert werden, die dann ins Ausland
exportiert werden. Derartige CO
2
-Emis-
sionen werden als „graue“ Emissionen
bezeichnet.
CO
2
-Ströme
Auch wenn die Datenbasis nicht die
aktuellste ist, zeigt sich ein aufschluss-
reiches Bild: Die CO
2
-Mengen, die
durch den in Österreich stattfindenden
Verbrauch von Waren im Ausland her-
vorgerufen werden, liegen mit über 62
Millionen Tonnen fast so hoch wie die
in Österreich direkt ausgestoßenen
Mengen an CO
2
– im Jahr 2004 et-
Fotos: Schuh (1)
*Dr. Christoph Streis-
sler
ist Chemiker und
Mitarbeiter der Abtei-
lung Umwelt & Verkehr
der AK Wien.
Graue Emissionen: Der
neue Neokolonialismus
Kurzgefasst
Neben dem CO
2
-Ausstoß, der
durch die Produktion und den
Energieverbrauch in Österreich
entsteht, verursacht der Kon-
sum von Waren, die im Ausland
hergestellt und in Österreich
konsumiert werden, zusätzliche
Emissionen von Treibhausga-
sen – eine Art Umweltkoloni-
alismus. Der Beitrag umreißt,
welche Schlüsse aus dieser
Beobachtung für die Klimapoli-
tik gezogen werden können.
Ende des Jahres soll bei der Klimakonferenz in Paris
der große Wurf gelingen: ein Abkommen, das dem welt-
weiten Klimaschutz ab 2020 wieder Schwung verleiht.
Die internationalen Handelsverflechtungen machen das
Problem aber nicht einfacher.
Von Christoph Streissler*
Schwerpunkt
Export von
Umweltlasten