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Wirtschaft & Umwelt 1/2016

Seite 15

Luftverschmutzung

Recht auf gesunde Luft?

E

in Recht auf gesunde Luft hat es im

österreichischen Recht lange nur für

Nachbarn von gewerblichen Betriebsanla-

gen gegeben. Und weiters über den nach-

barrechtlichen Unterlassungsanspruch im

ABGB, der über die Bezirksgerichte gel-

tend gemacht werden muss. So konnte

und kann man unzumutbar belästigende

oder gesundheitsgefährdende Immissio-

nen abwehren. Wohlgemerkt: nur gegen

einen konkreten Verursacher kann man

vorgehen. Und selbst da gibt es viele von

den Gerichten eröffnete Lücken z.B. ge-

genüber Verkehrsanlagen. Die erste kleine

Revolution brachte die EU-Umweltver-

träglichkeitsprüfung für große Projekte,

die Nachbarn erstmals auch Schutz ge-

gen große z.B. Verkehrsanlagen gewährte.

Bis dahin lag es im Belieben des Gesetz-

gebers, solche Schutzansprüche zuzuer-

kennen, was „höchst sparsam“ erfolgte.

Aber klagbare Rechte auf Erlassung eines

behördlichen Aktionsplanes oder einer

schützenden Verordnung? Das war bisher

schlicht denkunmöglich.

Genau diese Perspektive wird durch die

Judikatur des EuGH zur EU-Luftqualitäts-

richtlinie immer konkreter: Zentrale Bedeu-

tung haben hier der Effektivitätsgrundsatz

– Mitgliedstaaten müssen Richtlinien wirk-

sam umsetzen – sowie die Aarhus-Kon-

vention über die Öffentlichkeitsbeteiligung

im Umweltschutz, die auch die EU ratifiziert

hat. 2008 hat der EuGH im Urteil C-237/07

(Janecek) einem von Grenzwertüberschrei-

tungen konkret Betroffenen das Recht ge-

geben, von der zuständigen Behörde die

Erlassung eines Luftreinhalte-Aktionspla-

nes verlangen zu können. Aus dem Urteil

ließ sich noch kein Anspruch auf bestimm-

te Einzelmaßnahmen ableiten. Den nächs-

ten Akzent setzte der EuGH 2011 mit dem

Urteil C-240/08 (slowakischer Braunbär),

wonach Mitgliedstaaten Umwelt-NGOs

Klagerechte bei Europarechtsverstößen

zugestehen müssen. Im Urteil C-404/13

(Client Earth) aus 2014 hat der EuGH das

zuständige nationale Gericht zur Erlassung

der nötigen Anordnungen verpflichtet,

wenn die für den Maßnahmenplan zustän-

dige Behörde säumig ist. In Österreich hat

der VwGH 2015 einem konkret betroffenen

Grazer Ehepaar zugestanden, vom für die

Maßnahmenverordnung zuständigen Lan-

deshauptmann die Erlassung von wirksa-

men Maßnahmen verlangen zu können.

Zwar sind die Anforderungen an den Nach-

weis der Betroffenheit nach wie vor hoch.

De facto gibt es damit erstmal in Österreich

ein Recht auf Erlassung einer Verordnung,

was völlig neu ist.

2015 hat der VwGH Betroffenen ein Recht auf wirksame

Maßnahmen gemäß IG-L zugestanden. Das ist sensationell

und bedeutet ein Recht auf Erlassung einer Verordnung.

Konkrete Verursacher sind bei vielen Emissionen nicht die Regel

*Mag. Werner Hochreiter

ist Jurist und Mitarbeiter der

Abteilung Umwelt & Verkehr

der AK Wien.