Legt man eine Halbierung der Ge-
sundheitskosten zugrunde, auf der die
geplante NEC-Richtlinie der EU basiert,
so sind dies Summen in Milliardenhöhe
und viele Erkrankungsfälle, die einge-
spart werden können. Und das unter al-
leiniger Betrachtung von Feinstaub als
Indikator für die Luftverschmutzung.
Es ist naheliegend, dass – je nach
Verursacher der Luftverunreinigungen
– zusätzlich noch weitere gesundheits-
beeinträchtigende Faktoren zu berück-
sichtigen sind. So sind etwa bei Maß-
nahmen imStraßenverkehr, diemit einer
Reduktion des Schadstoffausstoßes
einhergehen (z.B. Tempolimits), auch
Verbesserungen der Lärmimmissionen
zu erwarten. Genaue Abschätzungen
dieser Interaktionen sind sicherlich nur
über komplexe Analysen möglich.
Jedenfalls ist klar: Im Vergleich zu
anderen umweltbedingten Gesund-
heitsgefahren ist der Impact von Luft-
verschmutzung groß. Andere Umwelt-
probleme dürfen ebenfalls nicht ne-
giert werden. So konnte etwa gezeigt
werden, dass bei uns Verkehrslärm
nach der Luftverschmutzung das Um-
weltproblem mit den zweitstärksten
Gesundheitsauswirkungen ist. Die Eu-
ropäer verlieren mindestens eine Million
gesunde Lebensjahre pro Jahr durch
Lärmfolgen wie Herzkrankheiten und
Schlafstörungen.
Schlussfolgerungen
Diesen Daten stehen verzerrte Wahr-
nehmungen in der Bevölkerung („Es
wird alles übertrieben, um uns das
Leben schwer zu machen“) und der
leichtfertige Umgang damit durch Ent-
scheidungsträger gegenüber. Nicht nur
intensives Lobbying diverser Gruppen
(Autovereine, Frächter, Industrie), son-
dern auch die anhaltende Diskussion
rund um Terrorismus und Sorgen um
den Arbeitsplatz lassen Umweltthemen
in den Hintergrund treten. Daher sind
noch längst nicht die notwendigen luft-
hygienischen Maßnahmen umgesetzt.
Dazu bedarf es endlich klarer umwelt-
politischer Rahmenbedingungen und
einer aktiven Politik mit Rückgrat.
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www.arbeiterkammer.atWirtschaft & Umwelt 1/2016
Seite 17
Entzündungsreaktionen
Ultrafeine Partikel
Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser
kleiner 0,1 µm (PM
0,1
) entstehen vorwie-
gend bei Verbrennungsvorgängen. Sie
dringen bis in die Lungenbläschen vor,
wo die Beseitigung dieser Partikel nur
langsam über bestimmte Immunzellen
erfolgt. Bei Überlastung dieser Zellen
kommt es in den Alveolen zu Entzün-
dungsreaktionen; selbst dann, wenn die
Staubteilchen selbst chemisch „harmlos“
sind. Problematisch sind auch die an
ultrafeinen Partikel (UFP) angelagerten
Polyaromatischen Kohlenwasserstoffe
und Schwermetalle. Die Gefährlichkeit
inhalierter Partikel fußt nicht nur auf ihrer
Gesamtmasse – wie gerne suggeriert
wird –, sondern wird vor allem durch die
Größe der gesamten Partikeloberfläche
bestimmt. UFP tragen zwar nur gering-
fügig zur Masse der PM
10
-Belastung bei,
aufgrund ihrer sehr großen Anzahl haben
UFP im Vergleich zu gröberen Partikeln
aber bei gleicher Masse eine weit größere
Oberfläche. Je größer die Oberfläche,
desto mehr Schadstoffe können sich
anlagern. UFP dienen so chemischen
Schadstoffen als Transport-Vehikel in
tiefere Atemwege. Sie haben daher ein
weitaus höheres gesundheitliches Schä-
digungspotenzial als größere Partikel.
Aus ärztlicher Sicht sollten daher die in
lokalen/regionalen Verbrennungsvorgän-
gen entstandenen Partikel bzw. reakti-
ve Abgase (wie etwa im Straßenraum)
höchste Priorität genießen.
Schadstoffquellen
Selbstverständlich ist es wichtig, bei allen
Schadstoffquellen anzusetzen und die
Emissionen zu reduzieren. Dabei sind
jene Maßnahmen zu bevorzugen, die
gleichzeitig auch andere günstige Effekte
mit sich bringen wie z.B. Lärmreduktion,
Erhöhung der Verkehrssicherheit, Hebung
der Lebensqualität, Verbesserung der
Infrastruktur, Schaffung von Arbeitsplätzen,
Einsparung von Treibhausgasen.
Tipp
Schlechte Luft
Über die Luftverschmutzung und ihre Kosten gibt
es Infos der Europäischen Umweltagentur unter:
www.eea.europa.eu/de/themes/airHolländische Forscher
analysierten die Ge-
sundheitsfolgen auf-
grund des Software-
Betrugs des VW-Kon-
zerns (neun Millionen
verkaufte Autos in Eu-
ropa, USA). Die zusätz-
liche Feinstaub- und
Stickoxid-Exposition
durch Dieselautos ver-
ursacht einen Verlust
von fast 45.000 Le-
bensjahren mit Haupt-
last in Europa (auf-
grund der höheren
Verkaufszahlen).