Wirtschaft & Umwelt 1/2016
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nische Erkenntnisse, die einen klaren
Zusammenhang zwischen Feinstaub
und vorzeitigen Todesfällen aufzeigen,
wieder hohe Aktualität. Der Anstieg
von verschiedenen Erkrankungen der
Atmungsorgane durch Luftverschmut-
zung ist bereits lange anerkannt und gut
dokumentiert (siehe Artikel auf Seite
14). Die Weltgesundheitsorganisation
WHO spricht weltweit von ca. sieben
bis acht Millionen vorzeitigen Todesfäl-
len aufgrund von Luftverschmutzung.
Für die EU schätzt die Europäische
Kommission, dass ungefähr zehnmal
mehr vorzeitige Todesfälle der Luftver-
schmutzung zuzuschreiben sind als
den Unfällen im Straßenverkehr. Der
Löwenteil kann auf Feinstaub (PM
2,5
)
zurückgeführt werden, während die
Gesundheitsschäden durch Ozon und
Stickoxide (NO
2
) vergleichsweise gerin-
ger eingeschätzt werden.
Globaler Kontext
Im Gegensatz zu den deutlichen
Verbesserungen der Luftqualität in Eu-
ropa, Nordamerika und Japan führt in
Entwicklungsländern die rapide Indus-
trialisierung im Zusammenspiel mit in-
effizienter Umweltgesetzgebung und
schwachen Institutionen zu teilweise
dramatischen Zuständen. Von Regie-
rungsseite lange totgeschwiegen, sor-
gen mittlerweile die extremen Smogepi-
soden in China, die nicht nur Großstädte
betreffen, sondern weite Regionen des
Landes einhüllen, für weltweite Schlag-
zeilen. Verlässliche Messdaten sind rar,
doch erscheint es aufgrund neuester
Informationen wahrscheinlich, dass In-
dien bei der Luftverschmutzung China
bald den Rang ablaufen könnte. Effi-
ziente Luftreinhaltung wird oft immer
noch als Bedrohung der wirtschaftli-
chen und sozialen Entwicklung gese-
hen, obwohl ein nicht unbeträchtlicher
Teil der Belastung als Folge der Armut
und des mangelnden Zugangs zu sau-
beren Energieträgern entsteht.
Quellen der Belastung
Feinstaub entsteht bei der Verbren-
nung von Kohle, Biomasse (Holz), Ab-
fällen und Diesel, sowie durch Materi-
albearbeitung in manchen Industrie
prozessen (z.B. in der Stahl- und Ze-
mentindustrie). Zusätzlich wird aber ein
bedeutender Teil des Feinstaubs in der
Atmosphäre durch luftchemische Pro-
zesse aus anderen Abgasen gebildet,
insbesondere durch Reaktionen von
gasförmigen SO
2
- und NO
x
-Emissionen
mit Ammoniakemissionen (NH
3
), die
vorwiegend aus der landwirtschaftli-
chen Viehhaltung herrühren. Diese che-
mischen Prozesse sind seit langem be-
kannt, und man weiß, dass in Mitteleu-
ropa die Partikelbildung direkt von der
Verfügbarkeit von Ammoniak abhängt,
weshalb NH
3
-Emissionen direkten Ein-
fluss auf die Feinstaubbelastung haben.
Die geringe Größe der Partikel führt
dazu, dass solche Teilchen einige Tage
in der Atmosphäre verbleiben, bevor sie
wieder am Boden deponiert werden. In
dieser Zeit werden sie mit den Luftströ-
mungen verfrachtet, oft 1.000 bis 2.000
km (man erinnere sich an den Transport
radioaktiver Partikel nach dem Reak-
torunfall von Tschernobyl). Als direkte
Folge dieses Ferntransports tragen bei
PM
2,5
lokale Emissionen nur einen ge-
ringen Teil zur Gesamtbelastung bei,
während der überwiegende Teil von
weiter entfernten Quellen stammt.
In österreichischen Städten (siehe
Abb. Seite 20 links für die Messstel-
le Wien Rinnböckstraße) entstammen
deshalb üblicherweise nur ca. zehn
In der EU gibt es etwa zehnmal mehr vorzeitige
Todesfälle durch Feinstaub als durch Unfälle im
Straßenverkehr.
Lokale Feinstaubbelastung
Lokale Emissionen tragen nur einen geringen Teil zur Feinstaubbe-
lastung bei. Der überwiegende Teil stammt von weiter entfernten
Quellen, oft im Ausland.
Für Luftreinhaltepolitik besteht weltweit großer Handlungsbedarf
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