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Seite 22

Wirtschaft & Umwelt 1/2016

D

ie wirtschaftlichen Ver-

flechtungen innerhalb des

Binnenmarktes und geänderte

Produktionsmethoden und Kun-

dInnenwünsche machen Euro­

pa von einem effizienten und

billigen Verkehr abhängig. Der

Sektor Verkehr erzeugt rund fünf

Prozent des EU-Bruttoinlands-

produktes und beschäftigt rund

elf Millionen Personen. Unter-

nehmen versuchen, beim Trans-

port Kosteneinsparungen vor-

zunehmen. Möglichkeiten der

Einsparung gibt es nur bedingt,

letztlich sind die Kosten für Fahr-

zeuge, Infrastruktur (Maut) und

Treibstoff für alle Anbieter nahe-

zu ident. Einige der verbliebenen

wichtigsten „Stellschrauben“

sind, neben einer verbesserten

Logistik, die Personalkosten,

die von Verkehrsträger zu Ver-

kehrsträger variiren. Sie stellen

aber immer einen bedeutenden

Kostenfaktor dar. Branchenana-

lysen der AK zeigen, dass der

Personalaufwand bei der Bahn

und im Straßengüterverkehr bis

zu einem Viertel betragen kann.

Bei Personalfragen (Einsatzbe-

dingungen, Löhne) gibt es euro-

paweit keine klaren Regelungen

bzw. sind diese schwer durch-

setzbar.

Keine soziale

Harmonisierung

Die Vollendung des Verkehrs-

binnenmarktes ging nicht mit

einer sozialen Harmonisierung

der Beschäftigungs- und Ar-

beitsbedingungen einher. In vie-

len Fällen greifen Regelungen,

etwa die Entsenderichtlinie,

nicht ausreichend, da sie den

Anforderungen des Verkehrs

nicht gerecht werden. Fragen

nach dem zu zahlenden Lohn,

den Einsatzbedingungen, der

sozialen Absicherung oder des

ArbeitnehmerInnenschutzes

sind, wegen der zahlreichen

Grenzübertritte der Beschäf-

tigten innerhalb nur weniger

Stunden, oft nur schwer be-

antwortbar. Gefinkelte Unter-

nehmenskonstruktionen tragen

das ihre dazu bei, die Situation

unübersichtlich zu halten. Bei

gleichbleibender Unternehmen-

stätigkeit werden über Briefka-

stenfirmen und Tochterunter-

nehmen sowohl Fahrzeuge als

auch Beschäftigte, oft völlig

legal, in Länder verlagert, in

denen das Steuer-, Lohn-, und

das Niveau des ArbeitnehmerIn-

nenschutzes Vorteile bringt.

Abgesehen

von

den

Lenk- und Ruhezeiten im Stra-

ßenverkehr werden soziale

Bestimmungen (Ausbildung,

Einsatzbedingungen, soziale

Absicherungen, Entlohnung) im

Verkehrsbereich vielfach nicht

bzw. nur marginal überprüft. Eine

Mindestkontrollrichtlinie gibt es

nur im Straßenverkehr.

Jenseitige Zustände

Dieser unkontrollierte Grau-

bereich kann dazu führen,

dass einige Unternehmen,

oftmals völlig legal, Druck auf

ArbeitnehmerInnen ausüben.

Ein entsprechender Bericht der

Europäischen Transportarbeiter-

Föderation (ETF) – „Moderne

Sklaverei im heutigen Europa?

Bericht der ETF über die Arbeits-

und Lebensbedingungen von

Berufskraftfahrern in Europa“

(Brüssel 2012) – und eine Studie

des Europäischen Parlaments

(EP) – „Die sozialen und Arbeits-

*DI Gregor Lahounik

ist Raumplaner

und Mitarbeiter der

Abteilung Umwelt &

Verkehr der AK Wien.

Fotos: Schuh (2)

Moderne Sklaverei

Moderne Sklaverei im heutigen Europa? Bericht der ETF über die

Arbeits- und Lebensbedingungen von Berufskraftfahrern in Euro-

pa, Brüssel 2012.

https://psl.verdi.de/++file++533996e5aa698e06

56001da3/download/Arbeitsbedingungen_Broschre%20ETF.pdf

Legale Ausbeutung

vor der Haustüre

Der EU-Binnenmarkt erfordert einen funktionierenden Verkehrs-

sektor. Dieser soll nicht nur flexibel, sondern auch möglichst billig

sein. Ansprüche, die zumeist an die Schwächsten im Sektor weiter

gegeben werden: die Beschäftigten. Sie sind die Leidtragenden des

schrankenlosen Verkehrs.

Von Gregor Lahounik*

Betrieb

Kurzgefasst

Lange Arbeitszeiten,

schlechte Entlohnung,

miserable Ruhebe-

dingungen, Stress,

Müdigkeit und lange

Zeiten fernab der Fa-

milie kennzeichnen den

Alltag der im Transport

Beschäftigten, insbeson-

dere auf der Straße. Dies

seit Jahren mit Billigung

der EU-Gesetzgebung.

Deren Regelungen sind

zahnlos.