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Seite 24

Wirtschaft & Umwelt 1/2016

Betrieb

„Essen auf Rädern“ – Alltag für 80 Prozent der Lkw-FahrerInnen

Straße um nichts nach. Glei-

chermaßen sind die Einsatzbe-

dingungen der LokführerInnen

durch zahlreiche Probleme

geprägt. Anders als im Stra-

ßenverkehr gibt es keine Mög-

lichkeit der Kontrolle der Lenk-

und Ruhezeiten, da ein Fahr-

tenschreiber fehlt. Geleistete

Arbeitszeiten gehen mit jedem

Grenzübertritt einfach „verlo-

ren“. Eine rasche und effiziente

Kontrollmöglichkeit, auch im

Interesse der Eisenbahnsicher-

heit, gibt es ebensowenig wie

klare Richtlinien für den tech-

nischen Zustand der Waggons.

Auch Selbstverständlichkeiten

sind auf der Schiene inexistent:

so kann es passieren, dass

TriebfahrzeugführerInnen nach

einer mehrstündigen Schicht

auf einem Verschubgleis im

„Nirgendwo“ ihren Endbahnhof

haben, bei dem es weder Näch-

tigungsmöglichkeiten noch Toi-

letten und Waschmöglichkeiten

gibt. Lokomotiven dürfen immer

noch ohne WC-Zelle in Betrieb

genommen werden.

Dumping mit System

Die angeführtenBeispieleund

die hohe Betroffenheit in der Ver-

kehrsbranche zeigen eines deut-

lich: Hier wird systematisches

Dumping auf dem Rücken der

Beschäftigten betrieben. Klar ist

auch, dass diese Zustände seit

Jahren bekannt sind und den-

noch keine effizienten Schritte

gesetzt werden. Zum Teil erfolgt

dies völlig legal unter Billigung

der EU-Gesetzgebung, allen

voran der EU-Kommission, die

in zahlreichen Rechtsakten be-

rechtigte ArbeitnehmerInnenin-

teressen ignoriert. Beispielhaft

wird etwa auf den kürzlich er-

folgten Beschluss einer Liste von

schweren Verstöße im Straßen-

verkehr (siehe Kasten Seite 25)

verwiesen.

Grenzüberschreitendes So-

zialdumping ist einerseits eine

Bedrohung für den sozialen Zu-

sammenhalt und das reibungs-

lose Funktionieren der Arbeit-

nehmerInnen-Freizügigkeit. Die

Praktiken des Sozialdumpings

stellen andererseits auch für

gesetzestreue Unternehmen

und Betriebe, die soziale Errun-

genschaften nicht als Nachteil

empfinden, ein Problem dar: sie

werden ausgebootet. Nationale

Versicherungs- und Steuersys­

teme verlieren Einnahmen und

werden ernsthaft untergraben.

Letztlich geht Sozialdumping

Angesichts der dramatischen Entwick-

lungen im Verkehr, bei denen faire

Arbeitsbedingungen und die Verkehrssi-

cherheit zusehends unter Druck geraten,

haben die europäischen Gewerkschaften

die Europäische Bürgerinitiative „Fair

Transport“ gestartet. Eine Million

Unterschriften müssen dabei zusammen-

kommen, um die EU zu zwingen, endlich

Maßnahmen zu setzen. „Fair

Transport“ steht für ehrliche Bedingun-

gen im Verkehrssektor in ganz Europa.

Nichtakzeptable Geschäftspraktiken, die

zu Lohn- und Sozialdumping führen, sind

zu beenden. Unternehmen, die fair

zahlen, dürfen nicht vom Sozialdumping

anderer in Bedrängnis geraten. Konkret

geht es dabei um

maßgebliche Änderun-

gen im europäischen

Recht. Die europäische

Entsenderichtlinie muss in

der gesamten Union durchgesetzt

werden, damit nationale Lohnstandards

nicht weiter durch niedrigere Standards

in Nachbarländern unter Druck geraten.

Briefkastenfirmen sollen verhindert

und wirksame Regelungen gegen

prekäre Arbeitsverhältnisse sollen

erlassen werden. Die Europäische

Bürgerinitiative kann von jeder Person

unterschrieben werden, die in der EU

wahlberechtigt ist:

http://sign.fairtrans- porteurope.eu/

Europäische Bürgerinitiative

„Fair Transport“ im Verkehrssektor

ª

Fotos: Schuh (1), RUZICZKA (1)