Wirtschaft & Umwelt 1/2016
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EU-Gesetze. Das EU-Parlament
hatte bereits in seiner Entschlie-
ßung vom 10. Mai 2012 vom EPA
verlangt, alle Erzeugnisse aus
konventioneller Zucht und alle
herkömmlichen Zuchtverfahren
von der Patentierbarkeit auszu-
schließen.
SI
Elektroaltgeräte
Wohin damit?
Eine market-Umfrage zur
Entsorgung gibt darüber
Auskunft.
Ergebnis: Die Menschen
wollen, dass gebrauchstaugliche
Geräte nach Nutzungsende
einer Weiterverwendung (Re-
Use) zugeführt werden können.
Die repräsentative Umfrage im
Auftrag der Elektroaltgeräte-
Koordinierungsstelle zeigt, dass
der Wissensstand in der Bevöl-
kerung zur korrekten Entsorgung
von Elektroaltgeräten und Altbat-
terien weiter gewachsen ist. Mit
64 Prozent der Befragten wissen
heute mehr KonsumentInnen
über die verpflichtende kosten-
lose Rücknahme von Elektroalt-
geräten durch den Händler Be-
scheid. Fast 90 Prozent finden es
wichtig, dass alte Elektrogeräte
wieder repariert und weiterver-
wendet werden können. Doch
nur 20 Prozent gehen davon aus,
dass die eigene Sammelstelle
einen eigenen Re-Use Bereich
anbietet, wo man noch funkti-
onstüchtige Geräte zur Weiter-
gabe und Wiederverwendung
abgeben kann. Anstatt die
Übergabe von funktionsfähigen
Altmöbeln, Altkleidern etc. an
informelle Sammler negativ zu
kampagnisieren, sollte mit Nach-
druck an einem zeitgemäßen
kommunalen Re-Use-Angebot
gearbeitet werden, wie es z.B.
schon in Oberösterreich besteht,
kritisiert die AK. (siehe auch
Umweltgrafik auf Seite 7 dieser
Ausgabe.)
HO
Interview: Soziale Ökologie
Missing Link zur nachhaltigen Entwicklung
Wie kann nachhaltige Entwicklung erreicht werden? Ist die Soziale Ökologie der
fehlende Baustein? Wir fragten den Ökonomen
Éloi Laurent.
Ein Schwerpunkt seiner
Arbeit liegt auf den Zusammenhängen von ökologischer Nachhaltigkeit und Wohlstand
bzw. Lebensqualität.
Wie sind Sie als Makroökonom zu die-
ser Spezialisierung gekommen?
Laurent:
Ich wurde zwar als Makroöko-
nom ausgebildet, habe aber bald fest-
gestellt, dass die gesamtwirtschaftlichen
Zusammenhänge nicht nur vielfältigen
Grenzen unterliegen, die die Biosphäre
der Menschheit auferlegt, sondern von
diesen zunehmend bestimmt werden.
Wenn ich heute in meinen Lehrveranstal-
tungen an der Stanford University (USA)
und am Institut d’études politiques de
Paris („Sciences Po“) die neuen Wohl-
stands- und Nachhaltigkeitsindikato-
ren als zentralen Wissensbestand der
Ökonomie vermittle, sollen die Studieren-
den verstehen, dass das Streben nach
hohen Wachstumsraten bestenfalls ein
Zwischenziel ist. Das primäre Ziel ist die
Steigerung von Wohlstand und Lebens-
qualität im Rahmen zunehmend engerer
ökologischer Grenzen. Aus dieser Pers-
pektive ist daher ein tieferes Verständnis
für die Beziehungen zwischen Nachhal-
tigkeit und Gerechtigkeit essenziell.
Wo liegen die Zusammenhänge
zwischen sozialer Ungleichheit und
Umweltproblemen?
Laurent:
Der sozial-ökologische Ansatz,
an dem ich die letzten sieben Jahre
gearbeitet habe, berücksichtigt die
wechselseitigen Beziehungen zwischen
sozialen Fragen und Umweltfragen. Es
wird also nicht nur aufgezeigt, wie soziale
Dynamiken Umweltschäden und -krisen
hervorrufen, sondern es werden auch die
Rückwirkungen von Umweltschäden auf
soziale Ungleichheit untersucht. Die erste
Kausalität, die von sozialer Ungleichheit
zu Verschlechterungen der Umweltqua-
lität führt, bezeichne ich als „Integra-
tive Social-Ecology“. Dieses Konzept
verdeutlicht, dass der relative Abstand
zwischen Reichen und Armen und die
Beziehungen, die zwischen diesen be-
stehen, auch zu einer Verschlechterung
der Umweltqualität und zu ökologischen
Krisen führen können, von denen schließ-
lich alle Mitglieder der betrachteten Ge-
meinschaft – egal ob lokal oder global –
betroffen sind. Die zweite Kausalität, die
von der ökologischen Krise zu sozialer
Ungleichheit weist, nenne ich „Differential
Social-Ecology“. Sie legt offen, dass die
spezifischen sozialen Auswirkungen der
ökologischen Krise grundlegend vom so-
zioökonomischen Status von Individuen
und Gruppen abhängen.
Sehen Sie im Forschungskontext einen
neuen Schwung für eine stärkere Inte-
gration der sozialen und ökologischen
Frage?
Laurent:
Es gibt in den letzten Jah-
ren großes Interesse und auch Fort-
schritte, der jüngste Bericht des IPCC
(„Intergovernmental Panel on Climate
Change“, oft auch Weltklimarat genannt,
Anmerkung der Redaktion) widmet bei-
spielsweise den Beziehungen zwischen
Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit ein
ganzes Kapitel.
Wo sehen Sie politische und institutio-
nelle Barrieren, die in Europa im Sinne
einer sozial-ökologischen Entwicklung
überwunden werden müssen?
Laurent:
Letztendlich sind es immer die
gleichen drei Hürden – Ideen, Interessen
und Institutionen –, an deren Überwin-
dung gleichzeitig gearbeitet werden
muss.
www.etui.org/fr/Publications2/Guides/Towards-a-social-ecological-transition.-
Solidarity-in-the-age-of-environmental-
challenge
*Éloi Laurent, PhD,
ist Ökonom und lehrt an der Stanford University (USA) und am
Institut d’études politiques de Paris („Sciences Po“).