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Seite 22

Wirtschaft & Umwelt 3/2015

D

as Spektrum an gefährlichen

Chemikalien, die in der Land-

und Forstwirtschaft eingesetzt

werden, ist sehr breit. Es geht

weit über die chemischen Pflan-

zenschutzmittel hinaus, an die

wohl viele zuerst denken, wenn

von Giften in der Landwirtschaft

die Rede ist. Neben den Pflan-

zenschutzmitteln (Pestiziden) im

engeren Sinn werden Mittel zur

Bekämpfung von Schadorga-

nismen eingesetzt (sogenannte

Biozide) – beispielsweise Vor-

ratsschutzmittel, Desinfekti-

onsmittel, Holzschutzmittel –,

aber auch Reinigungsmittel,

Lösungsmittel und viele andere.

Auch Tierarzneimittel sind nicht

immer harmlos. Dazu kommen

noch Arbeitsstoffe, die nicht

absichtlich eingesetzt werden,

aber im Zuge der Arbeit entste-

hen, und die sehr gefährlich sein

können. Im landwirtschaftlichen

Bereich sind hier zum Beispiel

Gär- und Faulgase zu nennen,

aber auch Stäube aus unter-

schiedlichsten Quellen.

Diese vielfältigenChemikalien

können zu Unfällen führen, etwa

durch Verbrennung, Verätzung

oder Vergiftung; aber sie können

auch langfristig Schäden verur-

sachen. Manche Krankheiten,

die als Folge einer Aufnahme

solcher Chemikalien entstehen,

zeigen sich erst mit großer Ver-

zögerung. In vielen Fällen ist die

Exposition – also die Aufnahme

des chemischen Stoffes in den

Körper durch die Atemluft oder

über die Haut – so lange her,

dass sie als wahre Ursache

einer aufgetretenen Erkrankung

unbemerkt bleibt. Das gilt zum

Beispiel für Krebserkrankungen,

die oft erst mit einer Verzögerung

(einer sogenannten Latenzzeit)

von mehreren Jahren auftreten,

aber auch für die Verminderung

der Fortpflanzungsfähigkeit oder

für Allergien.

Krebserkrankungen

Viele Untersuchungen gibt

es über den Zusammenhang

zwischen dem Umgang mit

Pflanzenschutzmitteln und dem

Auftreten von Krebserkran-

kungen. In Frankreich, dem

Land mit der größten land-

wirtschaftlichen Fläche in der

EU-28, wird zu diesem Thema

besonders viel geforscht. Eine

Zusammenstellung des For-

schungsinstituts Inserm (Institut

national de la santé et de la

recherche médicale) aus 2013

trug alle wissenschaftlichen

Studien zusammen, die es zu

Gesundheitsschäden durch

Pestizide gibt, und wertete sie

gemeinsam aus.

Diese Analysen zeigen unter

anderem, dass bei mehreren

Typen von Krebserkrankungen

– etwa bei Non-Hodgkin-Lym-

phomen und bei Prostata-Krebs

– signifikante Zusammenhänge

mit der beruflichen Exposition

gegenüber Pestiziden und einer

erhöhten Wahrscheinlichkeit der

Erkrankung bestehen.

Neben den Krebserkran-

kungen untersuchte Inserm aber

auch Studien zu einer Vielzahl

anderer Erkrankungen. So zeigt

sich etwa, dass die Wahrschein-

lichkeit, an Parkinson zu erkran-

ken, durch die Exposition gegen-

über Pestiziden steigt. Auch Ent-

wicklungsschäden an Embryos

treten häufiger auf, wenn die

Mutter Pflanzenschutzmitteln

ausgesetzt war. Nachgewiesen

*Dr. Chrisoph Streissler

ist Chemiker und Mit-

arbeiter der Abteilung

Umwelt & Verkehr der

AK Wien.

FOTOS: ISTOCKPHOTO.COM/FOTOKOSTIC (1)

Unfallanalyse und Prävention

Die Broschüre „Gefahrstoffe in der Land- und Forstwirt-

schaft“, herausgegeben von der Sozialversicherung der

Bauern

(www.svb.at

), enthält weiterführende Informationen,

besonders zu akuten Gefahren durch Chemikalien.

Gefahrstoffe in der

Landwirtschaft

Wenn es um Gifte in der landwirtschaftlichen Produktion geht, den-

ken viele an die Gefahr, die diese dann in den Nahrungsmitteln dar-

stellen. Viel unmittelbarer stellen sie aber ein Risiko für diejenigen

dar, die sie anwenden: Landwirte und Beschäftigte in der Land- und

Forstwirtschaft.

VON CHRISTOPH STREISSLER *

Betrieb

KURZGEFASST

Auch Menschen, die in

der Land- und Forst-

wirtschaft tätig sind,

sollen vor gefährlichen

Chemikalien geschützt

werden. Aber die Vielfalt

an Stoffen einerseits, die

unterschiedlichen recht-

lichen Situationen der

Arbeitenden andererseits

machen diese Aufgabe

recht schwierig.