ie Freude bei den Kri-
tikerInnen der EU-
Saatgutverordnung
am 11. März 2014 war groß:
Im EU-Parlament stimmten
511Abgeordnetemit überwäl-
tigender Mehrheit für eine Zu-
rückweisung des Vorschlages
an die Kommission – nur 130
Abgeordnete hätten diesen an-
genommen. Bereits im Febru-
arplenum lehnten die EU-Ab-
geordneten im federführenden
Landwirtschaftsausschuss mit
37 zu 2 Stimmen den Kom-
missionsvorschlag ab. Aber
trotz dieses Votums war es bis
zum Schluss unklar, ob das
EU-Plenum den sehr umstrit-
tenen Kommissionsvorschlag
auch tatsächlich zurückweist.
Die Unterstützung von über
900.000 BürgerInnnen in ganz
Europa – eine halbe Million
alleine aus Österreich – war
vielleicht auch für die EU-Par-
lamentarierInnen richtungs-
weisend: Sie alle haben im
Rahmen der Kampagne von
Arche Noah und Global 2000
die Petition „Freiheit für die
Vielfalt“ ihren Wunsch nach
mehr Sortenvielfalt geäußert.
Es ergingen unzählige E-Mails
und Saatgutpäckchen an die
Abgeordneten mit der Bitte,
sich für die Vielfalt am Acker
und am Teller einzusetzen.
Auch der Einsatz der österrei-
chischen EU-Abgeordneten
Karin Kadenbach (SPÖ) und
Elisabeth Köstinger (ÖVP)
für die Zurückweisung an die
Kommission ist hervorzuhe-
ben. Zudem protestierten in
Österreich Lebensmittelhan-
del, viele Köche und andere
Persönlichkeiten gegen die
Pläne der EU-Kommission,
die Vielfalt am Teller einzu-
schränken. Auch im „Parla-
ment der Arbeiterkammer“
gab es dazu zwei Anträge,
die einstimmig angenommen
wurden.
All diese Aktivitäten hatten
letztendlich dasselbe Ziel –
den Vorschlag der EU-Kom-
mission zu entschärfen bzw.
abzulehnen. Mit der Zurück-
weisung des EU-Parlaments
an die Kommission ist dieser
Kommissionsvorschlag vor-
erst vom Tisch. Mit der Wahl
des EU-Parlaments im Mai
2014 und einer neuen Kom-
mission im Herbst 2014 heißt
es nun gewissermaßen zurück
an den Start.
Die Kritik
Bislang fällt nur “kom-
merziell genutztes“ Saatgut
unter EU-Vorschriften. Für
traditionelle und alte Sorten
gibt es Ausnahmen. Auf Basis
des alten Kommissionsvor-
schlages wäre künftig jedes
Saatgut, das über Tausch oder
Handel in Umlauf gebracht
wird, als „kommerzielle Nut-
zung“ eingestuft worden. Be-
sonders betroffen hätte diese
Regelung alte Landsorten,
Erhaltungssorten und Sorten,
die Raritäten darstellen oder
von geringer ökonomischer
Bedeutung sind. Das Ziel
von Saatguttestverfahren ist
*
DI Iris Strutzmann
ist Agrarwis-
senschafterin und Mitarbeiterin in
der Abteilung Wirtschaftspolitik der
AK Wien.
Das Europäische Parlament hat die neue EU-Saatgutverordnung im März
2014 mit großer Mehrheit abgelehnt. Damit ist der Kommissionsvorschlag
erst einmal vom Tisch. Wie es weitergeht, entscheiden Kommission und Rat
der EU in den nächsten Monaten. Mit einem neuen Vorschlag ist im Laufe
des Jahres 2015 zu rechnen.
Von Iris Strutzmann *
Fotos: Schuh (1), Fotolia/Ganzoben (1)
Politik
EU-Saatgutmarkt: Volle Konzentration
Eine aktuelle Studie zeigt die Konzentration des europäischen Saatgutmark-
tes auf:
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Zusammenfassung:
Bislang fällt nur “kommer-
ziell genutztes“ Saatgut
unter EU-Vorschriften.
Für traditionelle und alte
Sorten gibt es Ausnahmen.
Auf Basis des alten Kom-
missionsvorschlages hätte
diese Einschränkung nicht
mehr gegolten. Damit
wären alte Landsorten,
Raritäten und Sorten von
geringer ökonomischer
Bedeutung bedroht. Ein
neuer Vorschlag muss die
Interessen der Konsumen-
tInnen, nicht die der Agro-
industrie berücksichtigen.
Verschnaufpause
für die Vielfalt
D
Seite 10
Wirtschaft & Umwelt 2/2014
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