ine Studie (1997) von Helga
Weisz und Harald Payer
beschreibt sehr klar, wie sich
in Österreich der Naturschutzbegriff
im Lauf der Geschichte von einem
„ästhetisch-statischen“ über ein
„ökologisch-statisches“ zu einem „öko-
logisch-dynamischen“ Bild gewandelt
hat. Demnach setzte sich Naturschutz
Ende des 19. Jahrhunderts ursprünglich
zum Ziel, schöne und beeindruckende
Landschaftselemente zu erhalten
(ästhetisch) und eine noch nicht durch
Industrialisierung veränderte Landschaft
zu bewahren (statisch). Eine zentrale
Rolle in dieser konservativen Phase des
Naturdenkmal- und Heimatschutzes,
welcher teils auch mit nationalistischem
Gedankengut unterlegt wurde, spielte
das Bildungsbürgertum aus Ärzten,
Geistlichen oder Journalisten. Als
mögliche einfache Erklärung dafür gilt,
dass der Adel seinen Besitz noch einige
Zeit vor den Auswirkungen der Indus­
trialisierung fernhalten habe können und
die ArbeiterInnenklasse aus realpoliti-
schen Gründen wenig an Industriekritik
interessiert gewesen sei. Die damalige
Hinwendung zur Natur war in Österreich
jedoch keine ausschließlich bürgerliche
Erscheinung. In Wien wurde 1895 der
Touristenverein „Die Naturfreunde“
gegründet. Zentrales Anliegen war, dass
die ArbeiterInnenschaft ihre karge Frei-
zeit statt in dunklen Gasthäusern in der
freien Natur verbringen kann – wofür oft
erst die Wegefreiheit erstritten werden
musste. Dahinter steckte ebenso die
soziale Absicht, den ArbeiterInnen mehr
Recht auf Erholung und Freizeit zuzuge-
stehen. Blieb aber bei den „Naturfreun-
den“ die Industrialisierung von Beginn an
bis zur Zeit der Umweltbewegung in den
1970ern ein unangefochtenes Leitbild,
verlor Industriekritik bei konservativ-bür-
gerlichen NaturschützerInnen erst nach
dem Ersten Weltkrieg zunehmend an
Bedeutung. Während der NS-Zeit dann
schienen viele damalige Naturschutz-
anliegen mit der Verabschiedung des
Reichsnaturschutzgesetzes zum Schutz
der „typisch deutschen“ Natur erfüllt.
Tatsächlich blieb das Gesetz aber auf-
grund der vorrangigen Erfordernisse der
Kriegswirtschaft weitgehend wirkungs-
los. Nachdem der Umgang mit der Natur
in den 1950ern und 1960ern im Zuge des
Wiederaufbaus so rücksichtslos wie nie
zuvor war, wurden infolge der aufkom-
menden Umweltbewegung der 1970er
Jahre ästhetische Argumente durch öko-
logische ersetzt. Großen Einfluss hatte
dabei auch die Wissenschaft mit ihren in
der Ökologie damals vorherrschenden
(statischen) Gleichgewichtsmodellen.
Erst in den 1980er Jahren schließlich
begann die mit neuer Computertech-
nologie einhergehende Dynamisierung
von Modellvorstellungen in der Ökologie
(ökologisch-dynamisch) langsam auch
auf den Naturschutz überzugreifen.
Naturschutzgeschichte
Paradigmenwechsel im Naturschutz
E
Für den umfassenden Schutz der Natur sind alle. Doch welcher Weg dabei eingeschlagen werden soll, ist oft umstritten.
Wirtschaft & Umwelt 2/2014
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