Piz Val Gronda & Isel, Vertragsverletzungsverfahren & Nach-
nominierung – Natura 2000 ist in aller Munde. Als Beitrag zum
Stopp des fortschreitenden Arten- und Lebensraumverlusts for-
dert die EU-Kommission von Österreich, über 200 neue Schutz-
gebiete in das europäische Netzwerk aufzunehmen. Doch das
sogenannte Umwelt-Musterland zögert.
Von Mathilde Stallegger und Stefanie Schabhüttl*
it einer Gesamtfläche von über
einer Million km
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ist das eu-
ropaweite Schutzgebietsnetz-
werk Natura 2000 ein überaus wichtiges
und effizientes Naturschutzinstrument.
Auf insgesamt über 26.000 geschütz-
ten Flächen soll sowohl die Vielfalt an
Lebensräumen als auch jene wildleben-
der Tier- und Pflanzenarten nachhaltig
erhalten werden. Durch zielgerichtete
Managementmaßnahmen kann Natura
2000 maßgeblich zur Eindämmung des
Verlusts der biologischen Vielfalt in
unserem Land und über die Landesgren-
zen hinaus beitragen. Grundlage dafür
sind zwei EU-Richtlinien: die Fauna-
Flora-Habitat-(FFH-)Richtlinie und die
Vogelschutzrichtlinie. Mit dem Beitritt
zur EU im Jahr 1995 hat sich Österreich
verpflichtet, diese Naturschutzrichtlini-
en in seinem Bundesgebiet umzusetzen.
Aktuell liegt das österreichische Natura
2000-Netzwerk mit rund 220 Gebieten
und knapp 15 Prozent der Staatsfläche
unter dem europäischen Durschnitt von
ca. 17 Prozent. Das ist nicht nur Natur-
schutzorganisationen wie dem Umwelt-
dachverband zu wenig, auch die EU-
Kommission forderte bereits 2012 die
Republik Österreich offiziell dazu auf,
weitere Gebiete ins Natura 2000-Netz-
werk zu integrieren. Passiert ist jedoch
lange Zeit nichts. Die Folge: Im Mai
2013 leitete die EU-Kommission ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen
die Republik ein. Mitte Jänner 2014 for-
mulierte sie erneut klare Forderungen
in Sachen Nachmeldung von Natura
2000-Gebieten.
Bereits im Jahr 2012 hatte der Um-
weltdachverband in Zusammenarbeit
mit mehr als hundert ExpertInnen eine
Schattenliste erarbeitet, die neue po-
tenzielle Natura 2000-Gebiete, welche
schützenswerte Arten und Lebensräume
beherbergen, vorschlug: Bergmähwie-
sen, Kalktuffquellen, Hartholzauwälder,
Juchtenkäfer, Große Hufeisennase und
Grünes Koboldmoos sind nur einige der
insgesamt 26 Arten und Lebensraumty-
pen, die in den vorgeschlagenen Gebie-
ten geschützt werden sollten.
Gebiete verdoppeln
Auf Basis dieser Liste sah auch die
EU-Kommission noch einmal genau-
er hin und erweiterte die ursprüngliche
Schattenliste, um schließlich die Nach-
meldung von weiteren rund 220 neuen
Gebieten bzw. Gebietserweiterungen zu
fordern – darunter Naturkleinode wie
der Piz Val Gronda oder die Isel in Tirol,
das Warscheneck in Oberösterreich oder
die Sattnitz in Kärnten. Da in Österreich
die Zuständigkeit und Obsorge für Na-
turschutz und Natura 2000 den Bundes-
ländern obliegt, ist es nun an ihnen, wei-
tere Gebiete an die EU zu melden, um
die europäischen Naturschutzverpflich-
tungen zu erfüllen. Die Deadline für die
ersten Meldungen: September 2014.
Fotos: Umweltdachverband (2)
* Mathilde Stallegger, MSc,
ist Referentin
für Biodiversität und Natura 2000-Expertin
im Umweltdachverband.
MMag. Stefanie Schabhüttl
ist Ökologin
und zuständig für Öffentlichkeitsarbeit &
Kommunikation im Umweltdachverband.
Natura 2000 – im
Schneckentempo
M
Seite 18
Wirtschaft & Umwelt 2/2014
Zusammenfassung:
Da in Österreich eine bun-
desweite Koordination für
Naturschutz fehlt, hinkt die
Alpenrepublik bei der Um-
setzung des europäischen
Schutzgebietsnetzwerks
Natura 2000 im EU-
Vergleich gehörig hinten
nach. Dabei schlummert
in Natura 2000 nicht nur
das Potenzial, den fort-
schreitenden Verlust der
biologischen Vielfalt zu
bremsen, sondern auch
eine unterschätzte Quelle
ökonomischer Wertschöp-
fung.
Schwerpunkt
NATURSCHUTZ
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