Nachfrage oder auch in Form öffent-
licher Nachfrage, kann es kein Wirt-
schafts- und Beschäftigungswachstum
in der Industrie geben. Voraussetzung
dafür ist allerdings die Abkehr von der
derzeitigen Sparpolitik. Letztlich kann
eine sinnvolle Industriepolitik nur im
Zusammenhang mit einer wachstums-
freundlichen Wirtschaftspolitik gedacht
werden.
Vernachlässigt wird eigenartigerwei-
se auch, wie entscheidend stabile und
faire Arbeitsbeziehungen für den Pro-
duktionssektor sind – also die betrieb-
liche und die überbetriebliche Sozial-
partnerschaft. Jene EU-Länder mit einer
funktionierenden Sozialpartnerschaft
weisen auch einen hohen Industrieanteil
auf. Gerade jüngst wurde eine Studie des
Wifo vorgestellt, die die positive Wir-
kung einer funktionierenden Sozialpart-
nerschaft auf Wachstum, Beschäftigung
und Einkommen in einem Länderver-
gleich nachweist.
Völlig ignoriert wird die Bedeu-
tung von Headquartern und Eigentum
an strategisch entscheidenden Unter-
nehmen. Andere Wirtschaftsräume,
wie USA, China oder Japan agieren
in dieser Frage höchst strategisch und
entschieden. Seit vielen Jahren ist dies
etwa im Informationstechnologiebe-
reich zu sehen, wo Unternehmen aus
den USA (Google, Amazon, Apple, …)
die wesentlichen Player sind und damit
die weltweite Entwicklung zu ihrem
Vorteil bestimmen. Das konsequen-
te Beihilfenrecht führt darüber hinaus
dazu, dass sich europäische Unterneh-
men mitunter mit massiv geförderten
Unternehmen aus anderen Wirtschafts-
ben im Zweifelsfall kaum jemals et-
was gegen „Erleichterungen“ – fordern
sie zum Teil auch selbst vehement ein.
Immer mit dem Hinweis auf Wettbe-
werbsfähigkeit und Beschäftigung.
Dies gilt auch im Zusammenhang mit
den Klima- und Energiezielen der EU
sowie der Diskussion rund um die Ener-
giepreisentwicklung in den USA versus
EU. Die EU-Kommission hat vorge-
schlagen (Entscheidung fällt im Rat),
die Treibhausgasemissionen bis 2030
um 40 Prozent zu reduzieren, den Anteil
erneuerbarer Energien auf 27 Prozent zu
erhöhen und die Energieeffizienz um 30
Prozent gegenüber 2007 zu steigern.
Von österreichischer Industrieseite
wird in diesem Zusammenhang immer
wieder das Gespenst von Abwanderung
und Deindustrialisierung an die Wand
gemalt. Dies obwohl es massive Be-
freiungen bei den CO
2
-Kosten für ener-
gieintensive Branchen gibt, die Umstel-
lung des Energieverbrauchs auf erneu-
erbare Energieformen weitgehend von
den Kleinverbrauchern finanziert wird
und der Anteil der Energiekosten an den
Gesamtkosten vernachlässigbar ist. So
beträgt etwa der Aufwand für Energie
beim Großteil der Industrieunterneh-
men, die 92 Prozent der Wertschöpfung
abdecken, etwa 1,8 Prozent des Umsat-
zes. Nur ein kleiner Teil hat eine größere
relative Belastung. Ein Vergleich zeigt:
die österreichischen Energiepreise für
die Industrie befinden sich im europä-
ischen Mittelfeld. Allerdings sind die
Energiepreise – vor allem beim Gas – in
Europa höher als in den USA. Dies ist
auch der Grund, weshalb es durchaus
angebracht ist, die Situation weiter ge-
nau zu beobachten.
Die Sozialpartner haben sich beim
„Bad Ischler Dialog“ im Oktober 2014
(
dem Span-
nungsfeld Industrieentwicklung – Kli-
mapolitik – Energiepolitik gewidmet.
In einem gemeinsamen Papier wurde
der notwendige Rahmen für eine Zu-
stimmung zur Umsetzung der Klima-
und Energieziele der EU präzisiert. Im
Zentrum steht dabei, die Umsetzung
des Reduktionszieles jedenfalls von
der Übernahme vergleichbarer und ver-
pflichtender Zielsetzungen in anderen
relevanten Wirtschaftsräumen abhän-
gig zu machen. Innerhalb Europas sind
für alle drei Ziele jeweils quantifizierte
und verpflichtende Werte für alle Mit-
gliedstaaten festzulegen. Werden diese
Bedingungen für fairen Wettbewerb
und Lastenverteilung abgesichert, so
kann Österreich aufgrund der bereits
jetzt starken Stellung der heimischen
Industrie in der Lage sein, diese Heraus-
forderungen für verstärkte Innovations-
und Technologieimpulse zu nutzen und
damit offensiv Marktchancen und Be-
schäftigungsmöglichkeiten quer über
alle Branchen zu schaffen. Vorausset-
zung dazu ist jedenfalls eine strategische
und mit anderen Politikbereichen – etwa
der Klimapolitik – koordinierte Indust-
riepolitik.
Entscheidende Defizite
Trotz der erfreulichen Belebung der
Diskussion darf nicht übersehen wer-
den, dass dem Politikwechsel hin zu
einer „neuen Industriepolitik“ einige
unverzichtbare Elemente völlig fehlen,
will man Erfolg haben. So konzentriert
sich nach wie vor der Großteil der Vor-
schläge auf die Wettbewerbsfähigkeit
(Exportziel), also die Angebotsseite.
Eine rein exportorientierte Strategie ist
aber nicht einmal im Falle einzelner
Länder eine langfristig sinnvolle Op-
tion. Für Europa insgesamt ist dies je-
denfalls eine zum Scheitern verurteilte
Strategie. Denn der allergrößte Teil
der europäischen Produktion wird am
Heimmarkt EU abgesetzt. Drittstaaten
(„EU-Exporte“) spielen eine vergleichs-
weise vernachlässigbare Rolle. Ohne
eine dynamische Binnennachfrageent-
wicklung, sei es in Form von privater
Energiekosten
Für einzelne österreichische Unternehmen mögen sie
höher als in den USA sein – volkswirtschaftlich sind die
Energiekosten pro Einheit Wertschöpfung durchaus
ähnlich:
-
industrie/
Industrieziele der EU
In der Mitteilung der EU-Kommission „Für ein
Wiedererstarken der europäischen Industrie“
(COM(2014)14final) wird als Ziel anvisiert, den
Industrieanteil am BIP bis 2020 von derzeit etwa 15
auf 20 Prozent zu steigern.
Industrieanteile am BIP
Angaben 1995 und 2011: China 35% / 33%,
USA 15% / 12%, EU27 20% / 15%, Japan
22,5% /18,5%, weltweit 20% / 17%. In
Österreich: 1960er Jahre fast 30%, 1990er
Jahre unter 20% fast stabil, derzeit 18,3%.
Strategisches Eigentum
hat Bedeutung
In Österreich wurde zuletzt von der ÖIAG aus
nicht nachvollziehbaren Gründen die indus-
trielle Führung bei der strategisch wichtigen
Telekom Austria AG an einen mexikanischen
Eigentümer abgegeben. Sofern man die
ÖIAG auch als industriepolitisches Instrument
versteht, sollte man sie daher dringend neu
ausrichten.
Seite 16
Wirtschaft & Umwelt 3/2014
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Schwerpunkt
INDUSTRIE & UMWELT
Fotos: Schuh (2)