Schwerpunkt
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Wirtschaft & Umwelt 3/2014
Seite 23
teme ist gleichzeitig ein Radikalumbau
von Wirtschaft und Gesellschaft.
Öko-Effizienz: Gut, aber
nicht gut genug
„Our Common Future“, der Bericht
der so genannten Brundtland-Kommissi-
on, war wohl auch deshalb ein so großer
Erfolg, weil er einen Ausweg aus einer
kommunikativen Sackgasse ermöglich-
te. Statt das Wirtschaftswachstum selbst
inFragezustellen, postuliertederBrundt-
land-Report, dass wirtschaftliche und
gesellschaftliche Entwicklung, letztlich
auchWirtschaftswachstum, mit einer Er-
haltung der ökologischen Lebensgrund-
lagen vereinbar sind. Der Schlüssel dazu
ist die Öko-Effizienz, auch unter dem
Schlagwort „Entkopplung“ bekannt.
Gemeint ist damit das Ziel, das Wirt-
schaftswachstum umweltverträglich(er)
zu gestalten, indem es vom Wachstum
des Ressourcenverbrauchs abgekop-
pelt wird. Die Verbesserung der Öko-
Effizienz – gemessen etwa als Ressour-
cen- oder Energieverbrauch pro Einheit
der Wirtschaftsleistung – ist daher ein
Standard­element nahezu aller Strategie-
pläne zur nachhaltigen Entwicklung.
Natürlich spricht nichts gegen Öko-
Effizienz. Es ist mittlerweile möglich,
selbst unter mitteleuropäischen Klima­
bedingungen Wohngebäude so zu ge-
stalten, dass sie das ganze Jahr ein an-
genehmes Raumklima bieten, ohne dazu
ein aktives Heizungs- oder Kühlungs-
system zu benötigen.
Aber Effizienzverbesserungenwerden
wohl nicht ausreichen, um den Ressour-
cenverbrauch langfristig absolut zu sen-
ken. Der Energieeinsatz pro Wirtschafts-
leistung ist weltweit in den letzten 70 Jah-
ren kontinuierlich gesunken. Trotz der er-
reichten Effizienzgewinne wuchs jedoch
der Energieeinsatz in absoluten Zahlen
weiter. Auf Grund des Nachholbedarfs
der Entwicklungsländer würde er auch
dann massiv zunehmen, wenn es gelin-
gen sollte, den Ressourceneinsatz in den
Industrieländern zu stabilisieren. Weiters
zeigt sich, dass Wirtschaftswachstum
nicht unabhängig von der Effizienz der
Ressourcennutzung ist – steigende Effi-
zienz kurbelt also das Wirtschaftswachs-
tuman. Mit anderenWorten, eine relative
Dematerialisierung scheint mittels einer
Politik der Öko-Effizienz realisierbar, die
für eine nachhaltige Entwicklung nötige
absolute Verringerung des Ressourcen-
verbrauchs jedoch nicht. Öko-Effizienz
reicht auf Grund dieser Wechselwir-
kungen nicht aus, um eine nachhaltige
Entwicklung einzuleiten, obwohl sie ein
unverzichtbares Element derartiger Be-
mühungen darstellt.
Neues Entwicklungsmodell
gesucht
Der spanische Wirtschaftshistoriker
Joan Martinez-Alier, einer der Grün-
derväter der Ökologischen Ökonomik,
hat eine eindrucksvolle Sammlung von
Beispielen für Umweltbewegungen der
Armen („environmentalismof the poor“)
erstellt. Die Versorgung von Menschen,
die in Subsistenzwirtschaften leben,
hängt mehr oder weniger vollständig von
Leistungen der Ökosysteme (‚ecosystem
services’) ab. Für sie ist daher eine De-
gradation der Ökosysteme viel unmit-
telbarer bedrohlich als für Menschen
in der Industriegesellschaft. Zahllose
Grenzen des Wachstums
Das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ (1972) zog
das Konzept des uneingeschränkten Wachstums als
Entwicklungsmodell erstmals grundsätzlich in Zwei-
fel, indem es auf die globalen Schranken hinwies.
Gesamtenergieumsatz
Der Gesamtenergieumsatz ist ein nützlicher Indi-
kator, da er den Verbrauch biogener und fossiler
Energieträger umfasst und damit sowohl mit der
Landnutzung als auch mit der Treibhausgaspro-
blematik zusammenhängt.
Rebound-Effekt
Alle Untersuchungen zur Energieeffizienz müssen
den „Rebound-Effekt“ berücksichtigen, den
Effekt, dass Effizienzverbesserung zu geringeren
Kosten und damit zu einer erhöhten Nachfrage
führen kann.
Weltweit ist der Energieeinsatz
pro Bruttoinlandsprodukt (BIP)
von 1930 bis 2000 kontinu-
ierlich gesunken, und zwar
sowohl in den Industrielän-
dern, als auch in den Entwick-
lungsländern. Die einzige Aus-
nahme waren die ehemaligen
Planwirtschaften Osteuropas
und der früheren Sowjetunion.
Trotz der erreichten Effizienz-
gewinne wuchs jedoch der
Energieeinsatz in absoluten
Zahlen weiter.
Energiefluss pro BIP
Bruttoinlandsprodukt und Energieeinsatz
0
10
20
30
40
50
60
Energiefluss pro BIP (real) (MJ/$)
Globaler Durchschnitt
Entwicklungsländer
Osteuropa und ehem. UdSSR
Industrieländer
2000
1990
1980
1970
1960
1950
1930
Öko-Effizienz reicht nicht aus, um eine nach­
haltige Entwicklung einzuleiten, obwohl sie
ein unverzichtbares Element darstellt.
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