Fußabdruck“ deuten darauf hin, dass
die Menschheit heute etwa ein Viertel
mehr Biokapazität konsumiert als auf
der Erde vorhanden ist und verändert
damit die Biosphäre auf besorgniserre-
gende Weise.
Klimawandel, Degradation von Öko-
systemen und Verlust an biologischer
Vielfalt haben letztlich eine gemein-
same Ursache: den enormen und stetig
steigenden Einsatz natürlicher Ressour-
cen (Land, Wasser, Materialien, Energie
usw.) für die Aufrechterhaltung des ge-
sellschaftlichen Stoffwechsels der nach
wie vor wachsenden und zunehmend
wohlhabenderen Menschheit aufrecht
zu erhalten.
globale Industrialisierung
wird so nicht stattfinden
Eine simple Rechnung macht die Pro-
bleme deutlich, die eine globale Indust-
rialisierung nach sich ziehen würde: Im
Jahr 2050 werden etwa 8,5 Milliarden
Menschen auf der Erde leben; nehmen
wir an, der Gesamtenergie-Einsatz pro
Kopf würde auf den durchschnittlichen
Wert heutiger Industriegesellschaften
steigen (etwa 250 Gigajoule pro Person
und Jahr), so würde sich der globale
Energieumsatz der Menschheit – in-
klusive Ernährung von Menschen und
Nutztieren – insgesamt mehr als ver-
dreifachen, von etwa 600 Exajoule pro
Jahr (EJ/a) im Jahr 2000 auf etwas über
2100 EJ/a im Jahr 2050. Der Energie-
einsatz der Menschheit wäre dann etwa
gleich groß wie die gesamte Menge an
Biomasse, die grüne Pflanzen auf der
Landoberfläche der Erde pro Jahr durch
Photosynthese produzieren.
Die Herausforderung ist gewaltig:
Ein Kernenergie-Ausbauprogramm, das
geeignet wäre, den Anstieg der Fossil-
energienutzung bei einem derartigen
Wachstum der Energienachfrage merk-
bar zu verringern, ist undenkbar. Auch
Wasserkraft, Windkraft, Geothermie
oder Solarenergie könnten mit einem
derartigen Wachstum des Energieein-
satzes wohl kaum Schritt halten, selbst
wenn die Potenziale groß genug wä-
ren. Viele hoffen auf einen großen Bei-
trag der Bioenergie – doch gerade hier
gibt es gravierende Probleme wie etwa
Landnutzungskonkurrenz oder Biodi-
versitätsverlust; die nachhaltigen Poten-
ziale sind wohl viel kleiner als gedacht.
Der Ausbau erneuerbarer, CO
2
-armer
Energie wird daher nicht ausreichen,
um bei einer Fortsetzung des Energie-
Wachstumspfades eine Trendwende
einzuleiten.
Eine Fortsetzung gegenwärtiger
Trends hätte aber eine deutliche Be-
schleunigung des Klimawandels zur
Folge. Um den globalen Temperatur-
anstieg auf 2°C zu begrenzen, müssten
Schwerpunkt
INDUSTRIE & UMWELT
*Ao.Univ.- Prof. Mag. Dr. Helmut Haberl is
t Professor
für Humanökologie und lehrt am Institut für Soziale
Ökologie (SEC) der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt .
Seite 22
Wirtschaft & Umwelt 3/2014
die Treibhausgasemissionen bis 2050
weltweit halbiert werden, in den Indus
trieländern um rund 80%. Bis 2100 wäre
eine noch viel größere Emissionsreduk-
tion nötig.
Eine derartige Reduktion der Emis-
sionen wäre jedenfalls nur durch einen
Übergang zu einem völlig anderen Ener-
giesystem zu erreichen. Dafür gibt es
seit längerem eine große Bandbreite an
Visionen, von der Atomenergiegesell-
schaft über die solare Niedrigenergiege-
sellschaft bis hin zu Überlegungen, die
CO
2
-Abscheidung massiv auszubauen
(CCS). Doch schon bisher wurden der-
artige Techno-Szenarien nicht einmal
in Ansätzen realisiert. Dies dürfte daran
liegen, dass die bis dato vorliegenden
Konzepte die vielfältigen Zusammen-
hänge zwischen Energiesystem und Ge-
sellschaft unzureichend berücksichti-
gen. Ein Radikalumbau der Energiesys-
Kuznets-Kurve:
Wachstum als Lösung von
Umweltproblemen?
Der Ökonom Simon Kuznets, Träger des Wirtschaftsnobelpreises 1971,
entwickelte eine Theorie, nach der Ungleichheit in einer reicher werdenden
Gesellschaft zunächst zunimmt, aber mit weiter steigendem Reichtum wie-
der abnimmt. Von anderen wurde dieses Konzept auf Umweltschäden über-
tragen. Demnach sei Wachstum am Anfang der Industrialisierung schmutzig,
doch mit zunehmendem Pro-Kopf-Einkommen steige die Präferenz für eine
saubere Umwelt. Die empirische Evidenz spricht allerdings gegen diese
Sichtweise: Gerade für die eigentlichen Nachhaltigkeitsprobleme – Verbrauch
fossiler Energieträger und natürlicher Ressourcen, Ausstoß an Treibhausga-
sen, zunehmende Beeinträchtigung von Ökosystemen – fand sich kein derar-
tiger Zusammenhang.