er Wirtschaftseinbruch ab 2008
führte in der Folge in der EU
zur Erkenntnis, dass Länder mit
einer starken industriellen Basis die Krise
besser überstanden als jene, die primär
im Dienstleistungs- oder Finanzsektor
ihre Stärken hatten. Der industrielle
Produktionssektor rückte damit wieder
in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit
in der EU. Auch der Begriff „Industrie-
politik“ wurde nach langer Zeit wieder
salonfähig. Seit Beginn der 1990er Jahre
war er in der EU-Kommission nahezu
verpönt. Eigenartig, wenn man bedenkt,
dass die direkte industriepolitische Steu-
erung verschiedener Branchen (Stahl,
Atomenergie, Nahrungsmittel, …) gera-
dezu eine der Wurzeln der Europäischen
Union darstellt. Seit den 1990er Jahren
wollte man aber lieber „horizontale“
Maßnahmen diskutieren: Deregulierung,
Liberalisierung (z.B. Daseinsvorsorge),
Forschung, Steuerentlastungen, Ver-
waltungsvereinfachungen, Binnenmarkt.
Alles drehte sich um Erleichterungen und
Kostenreduktionen. In allen Bereichen
höhere Produktivität, Wettbewerbsfä-
higkeit, Wachstum und Beschäftigung
zu erreichen, war das Ziel. Optimale
Strukturen schaffen die Märkte schon
automatisch. Wie sich herausstellte
ein völlig verfehlter Irrglaube! Gezielte
Industriepolitik muss gestaltend und
koordinierend eingreifen.
Seit Krisenbeginn wird dem in den Mit-
teilungen und Initiativen der Kommission
ansatzweise Rechnung getragen. Die
Kommission will sogar den Industrie-
anteil am BIP massiv erhöhen. Das
wird schwierig werden, sinkt doch der
Industrieanteil am BIP weltweit – sogar
in China. Trotz des eher unrealistischen
Strukturzieles ist es ausdrücklich zu
begrüßen, dass wieder industriepoliti-
sche Vorstellungen entwickelt werden.
Und es ist vor allem zu begrüßen, dass
die Diskussion auch in Österreich
angekommen ist. Wie in der EU hatte
man ja auch in Österreich seit Mitte der
1990er Jahre vorzugsweise „horizontale“
Anliegen im Kopf – zusätzlich gespickt
mit dem Verkauf von öffentlichem Ei-
gentum an Industrieunternehmen. Heute
wird zunehmend klarer gesehen, dass
eine strategisch ausgerichtete Indus
triepolitik notwendig sein wird, um den
verschiedenen Herausforderungen und
Zielen gerecht zu werden. Die Vorteile
funktionierender Märkte müssen dabei
geschickt mit staatlichen Initiativen (Ko-
ordinierung, Rahmenbedingungen, An-
reize, …) gekoppelt werden. Wie sonst
kann es gelingen, auf umweltfreundliche
Verkehrssysteme umzusteigen – und
gleichzeitig der Industrie langfristig ver-
lässliche, planbare Investitionsmöglich-
keiten und damit Wachstumschancen zu
bieten?
Wachstum und Beschäftigung
Die Wiederentdeckung der Industriepolitik
D
Eine nachhaltige Wirtschaft braucht hochwertige Arbeitsplätze und soziale Verantwortung.
Wirtschaft & Umwelt 3/2014
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