ie „grüne“ Gentechnik
ist in der EU weiter-
hin höchst umstritten.
Entgegen dem weltweiten
Trend, wo die Anbauflächen
für gentechnisch manipulierte
Pflanzen vor allem in Entwick-
lungs- und Schwellenländern
jährlich beträchtliche Zu-
wächse verzeichnen, machen
derartige Kulturen in der EU
weiterhin nur einen Bruchteil
aus. Die EU-Kommission hat
in der Vergangenheit keinen
Hehl daraus gemacht, dass sie
diesen Zustand gerne ändern
würde. Laut der letzten Euroba-
rometer-Umfrage zum Thema
im Jahr 2010 lehnen jedoch
72 Prozent der europäischen
BürgerInnen Gentechnik im
Pflanzenbau und Lebensmittel-
bereich ab – Tendenz steigend.
Als wichtigste Gründe hierfür
werden „nicht sicher“ und
„unnatürlich“ genannt. Beson-
dere Skepsis besteht seit jeher
in Österreich, wo sich 1997
im Rahmen des Gentechnik-
Volksbegehrens über 1,2 Milli-
onen Menschen für ein Verbot
des Anbaus von gentechnisch
veränderten Organismen auf
unserem Bundesgebiet aus-
sprachen.
IST-SITUATION
Welche Möglichkeiten
haben die Mitgliedstaaten
zurzeit, das Inverkehrbringen
von genmodifizierten Pflanzen
auf ihrem Territorium selbst
bestimmen zu können? ImHin-
blickdaraufsindimBesonderen
zwei EU-Vorschriften näher zu
betrachten: In der Richtlinie
2001/18 über die absichtliche
Freisetzung gentechnisch ver-
änderter Organismen (GVO)
in die Umwelt (Freisetzungs-
richtlinie) wird die Freisetzung
zu Versuchszwecken und die
Vermarktung von GVO gere-
gelt. Die Richtlinie beinhaltet
dabei auch eine sogenannte
Schutzklausel (Artikel 23),
die es den Mitgliedstaaten er-
möglicht, meist auf drei Jahre
befristete Zulassungsverbote
für bestimmte GV-Sorten zum
Zweck des Anbaus auf ihrem
Hoheitsgebiet zu erlassen. Die
restriktiven Voraussetzungen
verlangen allerdings, dass die
Mitgliedstaaten hierfür nach
dem Tag der Zustimmung
und Zulassung des Produkts
durch die Europäische Behörde
für Lebensmittelsicherheit
(EFSA) a) neue, zusätzliche
Informationen bezüglich der
Umweltverträglichkeitsprü-
fung erhalten haben oder b)
eine Neubewertung der vor-
liegenden Informationen auf
der Grundlage neuer oder zu-
sätzlicher wissenschaftlicher
Erkenntnisse vorliegt. Die
Argumentation der Mitglied­
staaten muss demnach auf
Sicherheitsbedenken in Bezug
auf die menschliche Gesund-
heit oder die Umwelt basieren.
Neben Österreich haben zur-
zeit Deutschland, Luxemburg,
Ungarn, Griechenland, Frank-
reich und eingeschränkt Polen
Anbauverbote für bestimmte
GV-Sorten erlassen. In den
*
DI Lukas Strahlhofer, MSc
ist
Wasserwirtschafter, Umweltmana-
ger und Mitarbeiter der Abteilung
Umwelt & Verkehr in der AK Wien.
Die Versuche von EU-Kommission und Biotech-Konzernen, gentechnisch
veränderte Pflanzen in ganz Europa salonfähig zu machen, lassen in vielen
Mitgliedstaaten regelmäßig die Wogen hochgehen. Ein neuer Regelungs-
vorschlag aus Brüssel sieht nun mehr nationale Selbstbestimmung für den
Anbau vor. Man darf gespannt sein.
VON LUKAS STRAHLHOFER*
Fotos: istockphoto.com/Brasil2 (1), Schuh (1), Fotolia.de/ andriigorulko (1)
Politik
GVO-Anbauflächen
Die Anbaufläche für GV-Pflanzen beträgt weltweit bereits über 150 Millionen Hektar,
das sind schon zehn Prozent der global genutzten Ackerfläche. Fast die Hälfte davon
wird allein für GV-Soja verwendet. In der EU werden auf 114.607 Hektar GV-Kulturen
(Mais) angebaut, das entspricht weniger als zehn Prozent der Ackerflächen Österreichs.
Zusammenfassung:
Um den Anbau gentech-
nisch veränderter Pflanzen
auf ihrem Territorium aus
Umwelterwägungen zu
verhindern, brauchen EU-
Mitgliedstaaten derzeit die
Zustimmung der EU-Kom-
mission bzw. eine qualifi-
zierte Mehrheit im EU-Rat.
Ein neuer Vorschlag der
Kommission sieht nun
trotz EU-weiter Zulassung
auch berechtigte nationale
Ausnahmen aus anderen
Gründen als Umwelt- und
Gesundheitsbedenken vor.
EU: Gentechnik und
Saatguthoheit
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Wirtschaft & Umwelt 4/2012
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