bereits als verkehrsfähig zuge-
lassenen GV-Sorten auf ihrem
Hoheitsgebiet einzuschränken
oder zu verbieten (Opt-out-
Möglichkeit). ImgroßenUnter-
schied zum bisherigen Verfah-
ren müssen sich diesbezügliche
staatliche Entscheidungen dann
jedoch auf Gründe beziehen,
die nicht mehr in der wissen-
schaftlichenBewertung der Ge-
sundheits- und Umweltrisiken
von GVO liegen. Gleichzeitig
müssen die Maßnahmen im
Einklang mit den Verträgen
des Binnenmarktes und den in-
ternationalen Verpflichtungen
stehen. Das zentrale EU-weite
Zulassungssystem mit wissen-
schaftlicher Risikobewertung
von GVO soll der EFSA vor-
behalten bleiben.
Nach einer Reihe von Sit-
zungen der „Ratsarbeitsgruppe
GVO“, dem Bericht des Um-
welt- und Landwirtschaftsaus-
schusses und der 1. Lesung im
Europäischen Parlament am 5.
Juli 2011 legte zuletzt die dä-
nische Präsidentschaft imMärz
2012 einen Kompromissvor-
schlag zur Selbstentscheidung
der Mitgliedstaaten vor. Dieser
sieht unabhängig von der Opt-
out-Option auch die Möglich-
keit vor, dass sich die Staaten
individuell mit kommerziellen
Antragstellern bereits imZulas-
sungsantrag auf die Ausnahme
bestimmter Gebiete für den
Anbau von GVO einigen. Beim
letzten Umweltministerrat am
11. Juni 2012 unterstützten 20
Mitgliedstaaten – darunter auch
Österreich – den unterbreiteten
Vorschlag. Zu einer Abstim-
mung im Rat mit erforderlicher
qualifizierter Mehrheit kam es
aber aufgrund des bestehenden
Widerstands von Deutschland,
Frankreich und Großbritannien
noch nicht. Um in den weite-
ren Verhandlungen doch noch
eine Einigung zu erzielen,
erhoffen sich die Befürworter
des Kompromisses vor allem
die letztendliche Zustimmung
Frankreichs; fand dort doch
bereits unter der Präsident-
schaft von Nicolas Sarkozy ein
Umdenkprozess in Richtung
Anbauverbote statt.
OFFENE FRAGEN
Nationale Selbstbestim-
mung mit der Möglichkeit, den
Anbau von GV-Pflanzen trotz
bereits erfolgter EU-Zulassung
einzuschränken oder zu ver-
bieten, klingt grundsätzlich
gut und schön. Aber wie sollen
nun diesbezügliche Maßnah-
men begründet werden, wenn
die Angabe von Gründen mit
Bezug zu Gesundheits- oder
Umwelteffekten dann nicht
mehr möglich ist? Die verblei-
bende Argumentation wäre
auf landwirtschaftliche bzw.
sozio-ökonomische Effekte
sowie Gründe mit Bezug zu
Ethik, Religion und öffentli-
cher Moral eingeschränkt. Ob
solche Begründungen aber
auch mit Blick auf internatio-
nale Handelsvereinbarungen
rechtlich haltbar sind, bleibt
fraglich. Kritisch in diese Rich-
tung äußerte sich ebenfalls das
Europäische Parlament und for-
dert daher, dass ein nationales
Verbot des Anbaus weiterhin
aus Umwelterwägungen wie
Pestizidresistenz, Erhalt der
Biodiversität oder mangel-
hafter Sicherheitsbewertung
möglich sein soll. Zugleich be-
denklich ist die Betonung der
GVO-Risikobewertung durch
die EFSA. Die Europäische
Lebensmittelbehörde stand in
den vergangenen Jahren ver-
mehrt in der Kritik wegen enger
personeller Verflechtungen mit
denLobby-Organisationen gro-
ßer Konzerne wie Monsanto,
BASF und Nestlé. Die hitzige
Diskussion um die Aussage-
kraft einer kürzlich erschie-
nenen französischen Studie,
nach der mit dem Monsanto-
Genmais NK 603 gefütterte
Ratten überdurchschnittlich oft
an Krebs erkrankten und im
Schnitt früher als ihre Artge-
nossen starben, zeigt zudem,
dass es endlich unabhängige
und vergleichbare Langzeitstu-
dien als Basis von Zulassungen
braucht. Angesichts großer He-
rausforderungen in der Land-
wirtschaft wie Klimawandel,
endliche fossile Ressourcen,
Grundwasserverschmutzung
und Bodenerosion sollte man
sich verstärkt auch ganz grund-
sätzlich die Frage stellen, in-
wiefern ausschließlich für eine
industrielle Landwirtschaft
gemachte Gentechpflanzen
überhaupt Sinn machen.
£
Politik
Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, nimmt der Anbau von transgenem Mais EU-weit
nur in Spanien und Portugal zu. Im Jahr 2011 entfielen allein auf diese beiden Länder
92 Prozent des Gesamtanbaus von GVO in der EU. Von der neben Mais ebenfalls
zum Anbau zugelassenen GV-Kartoffelsorte „Amflora“ wurden im selben Jahr üb-
rigens nur mehr 15 Hektar in Schweden und zwei Hektar in Deutschland kultiviert.
Es hat den Anschein, dass – abgesehen von Spanien und Portugal – gentechnisch
veränderte Nahrungs- und Futtermittel auch in „traditionellen“ GVO-Anbauländern
Europas vermehrt unpopulär werden.
Seite 12
Wirtschaft & Umwelt 4/2012
Foto: iStockphoto.com/Erkki Makkonen (1)
Länderanteile am Gesamtanbau von transgenem Mais in der EU
2006
2007
2008
2009
2010
2011
Spanien
86% 68,5% 73,5% 80% 84% 85%
Portugal
2% 4% 4,5% 5,5% 5,5% 7%
Tschechien
2% 4,5% 8% 7% 5% 4,5%
Polen
<0,25% 0,25% 3% 3% 3% 2,5%
Slowakei
<0,25% 1% 1,5% 1% 1,5% 0,5%
Rumänien
-
0,25% 6,5% 3,5% 1% 0,5%
Frankreich
8% 19% -
-
-
-
Deutschland
1,5% 2,5% 3% -
-
-
Gesamtanbau
in Hektar
62.284 109.847 107.717
94.750
91.193 114.607