Die Luft in Europa ist viel sauberer geworden, trotzdem gibt es
immer noch Überschreitungen der EU-Feinstaub- und Stickstoff-
dioxidgrenzwerte. Jüngst hat die WHO Dieselabgas als krebser-
regend eingestuft. War die Luftreinhaltepolitik nicht ausreichend
ambitioniert? Was sind die Gründe für die noch bestehenden
Probleme und wie können sie gelöst werden?
VON AXEL FRIEDRICH*
ie Einführung und Verschär-
fung von Abgasgrenzwerten
in der EU hat wesentlich zur
Verbesserung der Luftqualität beigetra-
gen. Moderne Benzinfahrzeuge der EU-
Grenzwertstufe Euro 4 mit geregeltem
Dreiwegkatalysator emittieren schon
nach wenigen Sekunden praktisch kei-
ne Schadstoffe mehr. Für Diesel-PKW
wird dieser Zustand erst ab 2014/15 mit
der Grenzwertstufe Euro 6 erreicht, wenn
auch für Diesel-PKW der Partikelfil-
ter und die Stickoxid-Nachbehandlung
flächendeckend eingeführt werden. Bei
schweren Nutzfahrzeugen und Bussen
wird endlich ab der EU-Grenzwertstufe
Euro 6 auch dort der Partikelfilter Stan-
dard werden.
SCHWIERIGE SPURENSUCHE
Aber warum haben wir dann immer
noch große Luftqualitätsprobleme und
warum werden die Immissionsgrenzwer-
te für Partikel (PM10 und PM2,5) und
Stickstoffdioxid (NO
2
) in vielen europä-
ischen Städten, auch in Österreich, über-
schritten? Leider ist die Antwort komple-
xer als es in der öffentlichen Diskussion
oft dargestellt wird. Ein wichtiger Punkt
ist dabei, was als Partikel definiert wird.
Die in der EU-Luftqualitätsrichtlinie fest-
gelegte Messmethode erfasst für PM10
Partikel etwas vereinfacht dargestellt
Feinpartikel, die kleiner als 10 Mikro-
meter sind, d.h. kleiner als ein hunderts-
tel Millimeter. Aber Dieselpartikel sind
noch einmal um den Faktor 100 bis 1.000
kleiner und dadurch auch viel gesund-
heitsschädlicher. Trotz dieser schon seit
langem bekannten Schädlichkeit hat die
Auto- und LKW-Industrie solange wie
möglich versucht, den Einsatz von Parti-
kelfiltern, die mehr als 99 Prozent dieser
ultrafeinen Partikel beseitigen, zu ver-
meiden. Durch höhere Einspritzdrücke
und den Einsatz von Oxidationskatalysa-
toren wurde zwar die Masse der ausge-
stoßenen Partikel in den letzten zweiein-
halb Jahrzehnten pro Fahrzeug deutlich
reduziert, aber die Zahl der Partikel pro
Kilometer, wenn überhaupt, nur sehr ge-
ringfügig verringert. Damit hat sich die
Gesundheitsgefahr nicht verringert, im
Gegenteil: die kleineren Partikel konnten
tiefer in die Lunge eindringen und durch
die Lungenwand in den Blutkreislauf ge-
langen und Herz- Kreislauferkrankungen
sowie Herzinfarkt auslösen. Erst durch
die Einführung der EU-Grenzwertstufe
Euro 5 setzten die Autohersteller flächen-
deckend Partikelfilter ein. Aber bei LKW
und Bussen wird dies erst ab Grenzwert-
stufe Euro 6 erzwungen, die aber erst ab
2013/14 in Kraft tritt.
GEFÄHRLICHER NEBENEFFEKT
Der Einsatz der Oxidationskatalysa-
toren in Diesel-PKW hat einen gefährli-
chen Nebeneffekt. Dadurch wurde die
Umwandlung von Stickstoffmonoxid
Fotos: Schuh (2)
*Dr. Ing. Axel Friedrich
hat Technische
Chemie an der TU Berlin studiert, war bis
2008 Abteilungsleiter „Verkehr, Lärm“ des
deutschen Umweltbundesamtes und ist
heute internationaler Verkehrsberater.
Luftverschmutzung
durch den Verkehr
D
Seite 18
Wirtschaft & Umwelt 4/2012
Zusammenfassung:
Die Techniken zur dras-
tischen Reduktion der
Schadstoffemissionen des
Verkehrs sind vorhanden,
sie müssen nur flächen-
deckend eingesetzt, nicht
durch die Industrie mit
Hilfe technischer Tricks
umgangen werden. Die
Gesellschaft ist hier
gefordert, solche Prak-
tiken zu verhindern. Für
Baumaschinen müssen
endlich auch die gleichen
Anforderungen wie für
Straßenfahrzeuge gelten.
Schwerpunkt
Luftreinhaltung