einstaub (PM) wird fast syno-
nym für „Luftverschmutzung“
verwendet. Von ihm geht auch
das größte Gesundheitsrisiko aus. Im
Durchschnitt nimmt er den Menschen
acht Monate an Lebenserwartung.
Im Jahr 2010 war knapp ein Drittel
der städtischen Bevölkerung PM10-
Konzentrationen ausgesetzt, die den
zum Schutz der Gesundheit festgesetz-
ten EU-Grenzwert (Tagesmittelwert)
überschritten. Nach den noch strikteren
und politisch kompromisslosen WHO-
Referenzwerten waren bis zu 95 Prozent
der StadtbewohnerInnen PM-Kon-
zentrationen ausgesetzt, die über den
Referenzwerten lagen. Neben primärem
Feinstaub, das sind Partikel vorwiegend
aus Verbrennungsprozessen, ist sekun-
därer Feinstaub von Relevanz. Er bildet
sich durch chemische und physikalische
Prozesse in der Luft aus Ammoniak von
der Landwirtschaft mit anderen Vorläu-
fersubstanzen (z.B. Stickstoffoxide).
Unbefriedigend ist auch die Erfassung
von Feinstaub nach dem PM10-Konzept.
Es sagt wenig über Toxizität aus und
vernachlässigt völlig die ultrafeinen
Partikel (PM0,1) aus Verbrennungspro-
zessen (z.B. Dieselmotoren), weil nicht
das Gewicht, sondern die Anzahl und die
Oberfläche der Partikel relevant ist.
Zweites Sorgenkind ist Ozon (O
3
), das
Atemprobleme verursacht, die Lebens-
erwartung verkürzt und in der Landwirt-
schaft bei einem Fünftel der Ackerfläche
zu Ernteverlusten führt. Im Jahr 2010
waren hier 97 Prozent der Stadtbewoh-
ner mit O
3
-Konzentrationen über dem
WHO-Referenzwert bzw. 17 Prozent mit
Konzentrationen über dem EU-Zielwert
für O
3
ausgesetzt.
Stickstoffoxide (NO
x
), von der Öffent-
lichkeit noch immer verkannt, sind Aus-
gangspunkt eines wahren Gift-Cocktails.
Sie verursachen Eutrophierung, d. h.
übermäßiges Pflanzen- und Algen-
wachstum in Gewässern, Versauerung
von Böden und tragen zur Bildung von
sekundärem Feinstaub und Ozon bei.
Im Jahr 2010 waren sieben Prozent der
Stadtbewohner in Europa NO
2
-Kon-
zentrationen über den EU-Grenzwerten
ausgesetzt. Viele EU-Staaten über-
schreiten die im EU-Recht festgesetzten
Emissionshöchstmengen bei NO
x
.
Völlig gegen den Trend ist Benzo(a)pyren
(BaP) sogar im Steigen begriffen. Ein
erheblicher Teil der städtischen Bevölke-
rung in der EU war Konzentrationen über
dem EU-Zielwert ausgesetzt, der bis
2013 erreicht werden muss. Benzo[a]-
pyren ist eine krebserregende Substanz.
Es entsteht bei der unvollständigen Ver-
brennung von organischen Stoffen (z. B.
Industrie- und Autoabgasen). Das Risiko,
dass Zigarettenrauch Lungenkrebs
hervorruft, wird zu einem großen Teil auf
diese Substanz zurückgeführt.
LUFTVERSCHMUTZUNG
DIE UNGELÖSTEN PROBLEMFELDER
F
Nach guter Luft sehnt sich jeder Mensch. Wird saubere Luft bald zum puren Luxus?
Wirtschaft & Umwelt 4/2012
Seite 15
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