Das Problem dabei liegt wieder einmal
im Föderalismus. Während man etwa
im nicht so kleinen Deutschland den
Bodenschutz durch ein bundesweites
Gesetz regelt, ist man in Österreich wei-
terhin fest davon überzeugt, dass bur-
genländische Böden rein gar nichts mit
steirischen Böden und schon überhaupt
nichts mit niederösterreichischen Böden
gemein haben, was eine einheitliche Re-
gelung verhindert. Das vorherrschende
Kompetenz-Wirrwarr, verschiedene
Länder-Bodenschutzgesetze sowie eine
Vielzahl weiterer bodenschutzrechtli-
cher Regelungen schwächen effektiven
Bodenschutz.
Das Problem der unterschiedlichen
Zuständigkeiten besteht aber auch in an-
deren EU-Ländern. Zur Lösung legte die
EU-Kommission 2007 einen Vorschlag
zu einer einheitlichen EU-Bodenschutz-
richtlinie vor. Auch wenn dieser das
Problem der Bodenversiegelung auf-
grund der subsidiären Zuständigkeiten
durch die Raumordnung leider weitge-
hend ausgesparte, so sah der von der AK
unterstützte Entwurf der Kommission
dennoch vor, Prioritätsgebiete des Bo-
denschutzes auszuweisen und eine Basis
für konkreteMaßnahmen, einMeldesys-
tem an die EU sowie einen Rahmen für
Sanktionen zu schaffen. Großbritannien,
Frankreich, Deutschland, die Niederlan-
de und Österreich (nach Beschluss der
Bundesländerkonferenz) lehnten den
Vorschlag allerdings letztlich ab. „Zu
aufwendig, zu teuer, zu bürokratisch,
unnötig“, argumentierten die vehemen-
testen Gegner – die Agrarlobbys der
Länder. Ob hier nicht doch viel eher die
Angst vor mehr dahinter steckte? Denn
tungskonflikte zusätzlich das Prob-
lem „indirekte Landnutzungsänderung“
in Betracht zu ziehen. Paradebeispiel
hierfür ist die weltweite Biotreibstoff-
produktion, die immer mehr Anbau-
flächen für Lebensmittel in ökologisch
sensible Gebiete wie Regenwälder ver-
drängt.
Bodenverbrauch
Am anschaulichsten zeigt sich Bo-
denverbrauch in Österreich an der ra-
sant voranschreitenden Flächenversie-
gelung. Bis vor einigen Jahrzehnten war
noch der Kirchturm, eine Burg, eventu-
ell auch ein Schornstein oder Getreidesi-
lo der markanteste Blickfang vieler Ort-
schaften. Heute wird man hingegen von
der stolzen Marktgemeinde aufwärts
bereits an den extravaganten Kreisver-
kehren der Ortseinfahrt von überdi-
mensionalen, nachts romantisch gelb
beleuchteten Einkaufssackerln, noch
gigantischeren roten Stühlen, kurvigen
M’s und Co. eingeladen, doch gleich
ins neue „Geschäfts- und Kommunika-
tionszentrum“ der Region – der impo-
santen Shopping-Mall auf der vormals
grünen Wiese – zu kommen: Parkplätze
für Hundertschaften und alle westlichen
Markentrends garantiert. Entschließt
man sich dann doch, den „historischen“
Ortskern zu besuchen, wähnt man sich
häufig in einem Freilichtmuseum inklu-
sive „Übriggebliebener“ als Protagonis-
ten meist älteren Semesters. Wer von
den jungen BewohnerInnen keine An-
stellung im Gewerbegebiet am Ortsein-
gang gefunden hat, sucht mangels Al-
ternativen sein Glück am Arbeitsmarkt
längst in den größeren Ballungszentren.
Umgekehrt verweisen aktuelle Ju-
gendstudien darauf, dass sich immer
mehr junge Menschen in den Städten
nach einem (Einfamilien-)Haus im vor-
zugsweise stadtnahen, da arbeitsnahen
Grünen sehnen. Gerade in Hinblick auf
den Mangel an für Jungfamilien geeig-
netem, leistbarem Wohnraum in den
Zentren ist dies ein sehr nachvollzieh-
barer Wunsch. Wachsen nun aber die
Speckgürtel aufgrund der anhaltenden
Suche nach günstigem Bauland immer
mehr in die Breite, kommen zusätzliche
Kosten für öffentliche Infrastrukturen
hinzu. Dabei werden auch die Rufe nach
den Umfahrungen der Umfahrungsstra-
ßen noch länger nicht verhallen. Wenn
für das freie Auge nicht unbedingt so
sichtbar wie die Bodenversiegelung,
so tragen jedoch auch andere Bereiche
kräftig zu anhaltendem Verlust und
dauerhafter Zerstörung von Böden bei.
Hierzu zählen die (diffuse) Kontami-
nation mit Schwermetallen aus der In-
dustrie sowie Pestiziden und Düngern
aus der Landwirtschaft, tief reichende
(irreversible) Bodenverdichtung mit
schweren Landmaschinen, oder groß-
flächige Bodenerosion aufgrund nicht
standortgerechter Bodenkultivierung.
Zusammengefasst zeigt sich, dass Bo-
denverlust ein gesamtgesellschaftliches
Problem und Bodenschutz somit eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.
Bodenschutz
Als Verbindung zwischen Wasser,
Luft und Erde ist Boden eine Quer-
schnittmaterie, die von verschiede-
nen gesetzlichen Regelungen (auch je
nach Bodentyp) in unterschiedlichem
Ausmaß unter Schutz gestellt wird.
Eigentlich wäre Bodenschutz hierzu-
lande sogar bereits seit 1984 als Teil
des umfassenden Umweltschutzes ver-
fassungsrechtlich verankert (BGBl Nr.
491/1984).
Mit Ausnahme von Waldböden – die
flächendeckend durch das Forstgesetz
auf Bundesebene geschützt sind – ver-
deutlicht die in allen anderen Bereichen
anhaltende Situation leichtfertigen Bo-
denverbrauchs jedoch wieder einmal,
wie rechtlich zahnlos Verfassungsbe-
stimmungen in Österreich sein können.
Irreversibilität
Darunter versteht man die Unumkehrbarkeit von
Veränderungen für einen Mindestzeitraum von 100
Jahren. Irreversible Bodenveränderungen sind
Versiegelung, Rohstoffabbau, Erosion, Schwermetall-
belastung, massive Bodenverdichtung.
Bodenversiegelung
Laut Umweltbundesamt werden in Österreich
täglich 7 Hektar Boden (10 Fußballfelder) mit Ge-
bäuden und Straßen verbaut. Inklusive Sport- und
Abbauflächen beträgt der Verlust an biologisch
produktiver Fläche sogar 22 Hektar täglich.
Verborgenes Leben
Ein Hektar natürlicher Boden von 30 Zentime-
tern Tiefe beherbergt rund 25 Tonnen Lebewe-
sen (Bakterien, Pilze, Würmer, Kriechtiere). In
Masse gibt es hier somit vielfach mehr Leben
als auf der Landoberfläche.
Eigenverantwortung
Wissenschaftliche Schätzungen gehen in
Österreich von 380.000 Hektar erosions-
gefährdeten Landwirtschaftsflächen aus,
das sind rund acht Prozent der gesamten
landwirtschaftlichen Nutzfläche. Der potentielle
Bodenabtrag beträgt dabei etwa 8 Millionen
Tonnen Feinboden sowie 160.000 Tonnen
organische Substanz pro Jahr. Hauptursachen:
Nicht standortgeeignete Bewirtschaftung und
fehlender Erosionsschutz.
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Wirtschaft & Umwelt 3/2013
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Schwerpunkt
knapper Boden
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