Beihilfen-Rahmen vorgesehenen Mög-
lichkeit der Kommission, Auflagen zu
verhängen – etwa eine Verkürzung der
Betrauungsdauer oder die Verpflich-
tung, Dritten Zugang zur Infrastruktur
zu gewähren – ging den Mitgliedstaaten
zu weit und wurde nach Protesten nicht
verabschiedet. Die Anforderungen, Ef-
fizienzanreize vorzusehen und konkrete
Ziele für Effizienzgewinne festzulegen,
sind aber auch im beschlossenen Beihil-
fen-Rahmen noch enthalten.
Und der EuGH?
In der Vergangenheit war der Europä-
ische Gerichtshof (EuGH) oftmals Weg-
bereiter für spätere Rechtsakte. In seinem
Urteil „Parking Brixen“ (2005) entschied
der EuGH, dass Dienstleistungskonzes-
sionen nicht unter die Vergaberichtlini-
en fallen, sondern „nur“ die Grundsätze
des Primärrechts einzuhalten sind. In der
Folge legt die Kommission eine eigene
Konzessionsrichtlinie vor. In der Ent-
scheidung „Altmark Trans“ (2003) ent-
schied der EuGH, dass eine Beihilfe im
Bereich der Erbringung von DAWI bei
Erfüllung von vier konkreten Kriterien
zulässig ist. Die Kommission reagierte
darauf mit demsogenanntenMonti-Paket
(2 Rechtsakte), und in der Folge mit er-
wähntem Almunia-Paket (4 Rechtsakte).
Im Urteil „Teckal“ (1999) legt der
EuGH Kriterien fest, bei deren Einhal-
tung die öffentliche Hand eine Leistung
„inhouse“, also in Eigenregie, erbringen
kann, ohne eine öffentliche Ausschrei-
bung durchführen zu müssen. In der
Entscheidung „Stadt Halle“ präzisierte
der EuGH, die Vorgängerentscheidung
vorangetrieben. Diese Vorstellung ist
jedoch nicht neu, sie war auch schon vor
der aktuellen Krise das vorherrschende
Konzept und findet sich in ihren Grund-
sätzen bereits imEU-Primärrecht: Schon
die Römischen Verträge (1957) hielten
fest, dass die „Dienstleistungen von all-
gemeinem wirtschaftlichen Interesse“
(DAWI) (zu den Begrifflichkeiten, siehe
Kasten Seite 17) dem Wettbewerbsrecht
unterliegen, jedoch mit der Einschrän-
kung, dass dadurch nicht die Erfüllung
der ihnen übertragenen besonderen Auf-
gabe verhindert werden darf. Im Laufe
der europäischen Integration wurden
weitere Bestimmungen zu den DAWI
ergänzt: Durch den Vertrag von Ams-
terdam (1997) wurden die DAWI als ge-
meinsamer Verfassungswert verankert.
Mit der EU Grundrechte-Charta wurde
der besondere Wert der Daseinsvorsor-
ge unterstrichen. Schließlich wurde mit
dem Vertrag von Lissabon eine EU-Le-
gislativkompetenz zur Festlegung von
Grundsätzen und Bedingungen für das
Funktionieren von DAWIs geschaffen
und in einem eigenen Protokoll Nr. 26
Prinzipien wie der Grundsatz der Au-
tonomie der Auftraggeber, die breite
Vielfalt an öffentlichen Diensten, der
Zugang, Qualität, Bezahlbarkeit sowie
die Perspektive der NutzerInnen festge-
halten. Diese positiven Signale der Pri-
märrechtsreformen seit demVertrag von
Amsterdam spiegeln sich bislang jedoch
nicht in Sekundärrechtsakten wider.
SchleichendeLiberalisierung
Obwohl dafür mit dem Vertrag von
Lissabon eine ausdrückliche Rechts-
grundlage geschaffen wurde, gibt es
nach wie vor keine EU-Rahmenricht-
linie für die DAWI. Durch eine solche
Richtlinie hätte eine positive Integration
im Bereich der Daseinsvorsorge in Eu-
ropa stattfinden können. Demgegenüber
wurde schon seit den 1990er Jahren im
Bereich der Netzwerkindustrien wie
Energie, Post, Telekommunikation oder
Verkehr mittels zahlreicher Rechtsakte
eine EU-weite Liberalisierung dieser
Bereiche vorangetrieben. Zudem gelten
für die DAWI die Regeln des Binnen-
marktes, des EU-Vergabe- und Beihil-
fenrechts. Doch selbst wenn Rechtsakte
keine direkte Privatisierung oder Libera-
lisierung vorsehen, finden hier ebenfalls
Versuche statt, die Markt- und Wett-
bewerbslogik stärker im Rahmen der
öffentlichen Dienstleistungen zu veran-
kern. Nach Protesten werden die Vorha-
ben oftmals teilweise wieder zurückge-
nommen bzw. abgeschwächt. Dies lässt
sich etwa am Beispiel der Dienstleis-
tungsrichtlinie illustrieren: 2004 legte
die EU-Kommission ihren Vorschlag
vor, welcher als Kernstück die Veranke-
rung des Herkunftslandprinzips vorsah.
Nach intensivem öffentlichem Druck
wurde der Richtlinienvorschlag stark
abgeschwächt, die öffentlichen Dienst-
leistungen blieben im Anwendungsbe-
reich, jedoch wurden die sozialen und
Gesundheitsdienste ausgenommen. Ein
weiteres Beispiel dieser Abschwächung
und teilweisen Rücknahme ursprüngli-
cher Vorhaben und Indikator für Prozes-
se einer schleichenden und schrittweisen
Liberalisierung war die aktuelle Ausein-
andersetzung umdie Konzessionsrichtli-
nie (siehe Seite 15).
Ähnliche Beobachtungen ließen sich
auch bei den Verhandlungen betreffend
die Anwendung des EU-Beihilfenrechts
auf die DAWI (Almunia-Paket) anstel-
len. Mit diesem Paket aus vier Rechts-
akten verfolgte die EU-Kommission das
Ziel, einerseits soziale und lokale Diens-
te kleineren Umfangs, die nur geringe
Auswirkungen auf den Handel zwischen
den Mitgliedstaaten haben, vom Beihil-
fenrecht auszunehmen. Andererseits
sollten bei anderen DAWI, denen eine
kommerzielle Dimension unterstellt
wird, Wettbewerbs- und Effizienzerwä-
gungen stärker verankert werden. Die
im Vorschlag für einen sogenannten
Der „große Basar“
Website des mit der Privatisierung
beauftragten Hellenic Republic
Asset Development Fund:
Rekommunalisierung
Bedeutet die Rückführung von Liberalisierungs-
und Privatisierungsschritten, etwa durch den
Rückkauf öffentlichen Eigentums, Wiederaufgreifen
einer Aufgabe, Erhöhung des Anteils bei gemischt-
wirtschaftlichen Unternehmen.
Konzessionen
Werden oft im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen einge-
setzt, wobei die öffentliche Hand einen Vertrag mit einem privaten
Wirtschaftsteilnehmer abschließt. Im Unterschied zum Verga-
berecht kann der Private jedoch etwa auch Gebühren von den
NutzerInnen einheben.
Geleakter EU-Brief nach
Athen und Lissabon
„Die Kommission glaubt, dass eine sorgsam
durchgeführte Privatisierung von öffentlichen
Versorgungsunternehmen, inklusive der Was-
serversorger, der Gesellschaft nutzen kann. Zu
diesem Zweck soll Privatisierung stattfinden,
sobald der geeignete gesetzliche Rahmen ge-
schaffen ist, um den Missbrauch durch private
Monopole zu verhindern.“
(26. September 2012)
Seite 16
Wirtschaft & Umwelt 4/2013
Schwerpunkt
DASEINSVORSORGE
Fotos: Schuh (2)
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