Dienstleistungen und Infrastrukturen der Daseinsvorsorge sollen
allen Menschen zugute kommen. Dass sie eine positive Wirkung
auf den demokratischen Zusammenhalt haben, steht außer
Zweifel. Aber werden sie auch tatsächlich demokratisch kon-
trolliert und gestaltet? Vorteile und Verbesserungsmöglichkeiten
dazu werden hier grundsätzlich beleuchtet.
Von SYLViA LeodoLter*
ffentliche Dienstleistungen
sind seit über 100 Jahren ein
prägendes Element unserer Ge-
sellschaft und unseres demokratischen
Staatsverständnisses. Die Daseinsvor-
sorge orientiert sich an dem Grundge-
danken, Leistungen in hoher Qualität
flächendeckend allen Menschen sozial
gerecht und diskriminierungsfrei zur
Verfügung zu stellen und für faire Ar-
beits- und Einkommensbedingungen
der in diesem Sektor Beschäftigten zu
sorgen. Dabei verfolgt die öffentliche
Hand – Bund, Länder und Gemeinden
– keine kurzfristigen Gewinninteressen,
sondern strebt eine nachhaltige Siche-
rung der Lebensgrundlagen für alle an
und gewährleistet die Einhaltung hoher
Standards der Sicherheit, des Gesund-
heits- und Umweltschutzes und unter-
stützt durch die Zurverfügungstellung
von öffentlicher Infrastruktur auch die
Unternehmen sowie die Wettbewerbs-
fähigkeit des Wirtschaftsstandortes.
Der Staat ist bei der Leistungserbringung
dem Gemeinwohl verpflichtet und ver-
folgt einen Versorgungsauftrag, der für
private Unternehmen niemals Priorität
besitzt, da sie auf Gewinninteressen ihrer
Eigentümer Rücksicht nehmen müssen.
Was hat aber die Erbringung von
öffentlichen Dienstleistungen in den
Bereichen der Daseinsvorsorge (Bil-
dung, Gesundheit, Wasserver- und
-entsorgung, Verkehr, Telekommuni-
kation, Post, Abfallentsorgung, soziale
Einrichtungen etc.) abgesehen von der
Gemeinwohlorientierung mit Demokra-
tie zu tun? Es gibt in diesen Bereichen
höchst unterschiedliche Traditionen,
Strukturen und Rahmenbedingungen für
die Bereitstellung und Erbringung von
Dienstleistungen. Mit der Ausdehnung
des Wettbewerbsgedankens vor allem
durch die EU-Politik wird der Versuch
unternommen, historisch gewachsene
Strukturen aufzubrechen und ihnen ein
einheitliches Regulierungsregime über-
zustülpen.
begehrlichkeiten
Dadurch wird dem Staat bzw. den
Kommunen die Wahlmöglichkeit ge-
nommen, selbst demokratisch legiti-
miert zu entscheiden, wie und in welcher
Ausgestaltung öffentliche Dienstleis-
tungen – im Rahmen der Verwaltung,
durch eigene Betriebe oder durch Beauf-
tragung – erbracht werden. Der Zwang
zur wettbewerblichen Ausschreibung
öffentlicher Dienstleistungen schränkt
den Spielraum ein und zwingt die öffent-
liche Hand, sich vomLeistungserbringer
zum bloßen Gewährleister zu verändern.
Ihre Aufgabe besteht nur noch darin, die
Einhaltung der Rahmenbedingungen zu
überwachen.
Diese Vorstellung klingt in der The-
orie verlockend, zumal sie in der Regel
mit der mehr oder weniger ideologiege-
triebenen Vorstellung verknüpft ist, dass
fotos: schUh (2)
*Mag.
a
Sylvia Leodolter
ist
Ökonomin und Leiterin der Abteilung
Umwelt und Verkehr in der AK Wien.
daseinsvorsorge
und demokratie
Ö
Seite 18
Wirtschaft & UmWelt 4/2013
zusammenfassung:
Öffentliche Dienstleistun-
gen sind ein wesentlicher
Teil des Sozialstaates.
nur durch öffentliches
Eigentum ist demokrati-
sche Kontrolle und die ge-
wünschte ausgleichende
soziale Wirkung im Bereich
der Daseinsvorsorge
möglich. Um neoliberalen
Liberalisierungs- und Pri-
vatisierungsbestrebungen
glaubhaft und wirksam
entgegentreten zu können,
muss demokratische Kon-
trolle und Transparenz bei
öffentlichen Dienstleistun-
gen stärker gelebt werden.
schWerpUnkt
daseinsVorsorge
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