Schwerpunkt
Fotos: SUEdwind (1)
Wirtschaft & Umwelt 2/2014
Seite 23
versitätszertifikaten: Natürlich sollten
zunächst Emissionen soweit möglich
vermieden bzw. reduziert werden, aber
immer noch besser, nicht vermeidbare
Emissionen zu kompensieren, um den
Schaden möglichst gering zu halten.
Unberücksichtigt bleibt hier unter
anderem die Frage, wer darüber ent-
scheidet, was vermeidbar ist und was
nicht – und wessen Stimme bei diesen
Entscheidungen ignoriert wird. Bei
Biodiversitätskompensation wird Natur
auf eine Ansammlung von biologischer
Vielfalt reduziert, deren Entwicklung
der Mensch stört und vor dem Natur
folglich geschützt werden muss, um sie
zu erhalten. Die Argumentation hat sich
schon im Zusammenhang mit Kom-
pensationsprojekten im Klimaschutz
als Irrweg erwiesen. Auch hier wurde
argumentiert, dass eine Tonne CO
2
in
z.B. Österreich freizusetzen den sel-
ben Beitrag zum Klimawandel leistet
wie eine Tonne CO
2
in z.B. Indien oder
Brasilien. Auch hier wird die Frage des
sozialen Kontextes, in den Kohlenstoff –
und CO
2
-Emissionen – eingebettet sind,
ignoriert. Die Reduktion von Treibhaus-
gasemissionen auf ihre chemische Zu-
sammensetzung und Interaktion in der
Atmosphäre verkennt, daß Kohlenstoff
und seine Nutzung in spezifische sozi-
ale Strukturen, (Land-)Nutzungsformen
und Produktionssysteme eingebunden
sind, die eben nicht auf CO
2
-Äquivalen-
zen reduzierbar sind.
REDD-Kompensationsprojekte zei-
gen, was passiert, wenn man dies doch
tut. Im Süden Brasiliens etwa verloren
traditionelle BewohnerInnen Zugang
zu ihren Waldgärten, als die Wälder
im Rahmen eines von der Naturschutz-
organisation The Nature Conservancy
unterstützten Projekts zum Lieferanten
von CO
2
-Zertifikaten für die Konzerne
General Motors, Chevron und American
Electric Power deklariert wurden. Im
brasilianischen Bundesstaat Amazonas
gefährdet ein REDD-Projekt die Exis-
tenz von Kleinbauern, die ihre minima-
len Kohlenstoffemissionen aus kleinflä-
chigem Wanderfeldbau reduzieren oder
die Bewirtschaftung aufgeben müssen,
damit die Luxushotelkette Marriott Ho-
tel trotz Emissionen, die um Größen-
ordnungen über denen liegen, die die
Kleinbauern verursachen, ihren Gästen
klimaneutrale Übernachtungen anbie-
ten kann. An der großflächigen Wald-
zerstörung durch industrielle Viehzucht
und Infrastrukturprojekte wie dem Belo
Monte Mega-Staudamm, deren Treibh-
ausgasemissionen zudem um Größen-
ordnungen höher liegen, ändern solche
Kompensationsprojekte nichts. Dem
Käufer der Zertifikate – ob Biodiversität
oder CO
2
– erlauben sie, klima- und bio-
diversitätsschädigendes Verhalten unter
dem Deckmantel der Kompensation un-
gestört und guten Gewissens fortzuset-
zen. Die Webseite des World Rainforest
Movement
-
by-subject/mercantilization-of-nature/)
enthält eine umfangreiche Dokumentati-
on über die Folgen solcher Klimaschutz-
kompensationsprojekte imWald.
Die Schattenseiten der Kompensa-
tion, und der mit ihr verbundenen mo-
netären Bewertung von Natur, wirken
weit über Konflikte über individuelle
Projekte hinaus. Sie sind Teil eines
beginnenden Paradigmenwechsels in
der Umweltgesetzgebung, der – sollte
Widersprüche
„Limitations of Economic Environmental
Valuation“ des BIOMOT Projekts beschreibt
anschaulich einige Widersprüche, die sich
beim Versuch der monetären Bewertung von
Natur ergeben.
Sackgasse
Über 160 Organisationen unterstützen
das Positionspapier „No to Biodiversity
Offsetting“. Es entlarvt den Handel mit
Biodiversitätszertifikaten als Irrweg. http://
no-biodiversity-offsets.makenoise.org/
Umdeutungen
Der Artikel „Measurement and alienation“ von Morgan Robertson
in: Transactions of the Institute of British Geographers, Volume
37, Issue 3, pages 386–401, July 2012, zeigt Parallelen auf
zwischen Umdeutung von Natur in Naturkapital und der Reduzie-
rung menschlicher Arbeit auf Lohnarbeit.
Trockenlegung von Mooren verursacht
nicht nur ökologische Schäden son-
dern auch erhebliche Treibhausgas-
emissionen. In Deutschland versuchen
die Länder Mecklenburg-Vorpommern
und Brandenburg fehlende Förder-
mittel für die Moor-Wiedervernässung
mit Verkauf von sog. MoorFutures zu
kompensieren. Die Zertifikate dienen
als Nachweis für vermeintliche Neutra-
lisierung der vom Käufer verursachten
Emissionen. Eine MoorFuture ent-
spricht dabei einer Tonne CO
2
. Vom
positiven Image der MoorFutures pro-
fitiert auch McDonald‘s Deutschland.
Interne Regeln für den CO
2
-Ausstoß
der Firmenflotte besagen: „Bei
Überschreitung der definierten CO
2
-
Grenzwerte muss der Fahrer eine Aus-
gleichszahlung leisten, die unmittelbar
in MoorFutures Zertifikate fließt.“ Der
Beitrag des Fleischverbrauchs zum
Klimawandel bleibt unerwähnt und
unberührt, während die Fahrer für
das grüne Image des transnationalen
Konzerns zur Kasse gebeten werden.
mcdonalds-deutschland-inc
Neue Finanzierungsquelle?
Ablasshandel für Naturschutz
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Das Ziel ist es, Umweltgesetzgebung
zu transformieren in handelbare
Instrumente.
Pedro Moura Costa
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