kommt: Gleich am Beginn
bezieht sich die Kommission
auf das laufende Vertragsver-
letzungsverfahren zum Was-
serkraftwerk an der Schwarzen
Sulm (Nr. 2013/4018) sowie
auf die Ergebnisse des EU-Pi-
lotverfahrens5503/13/ENVIzu
einem Wasserkraftwerk an der
Ybbs. In beiden Fällen rügt die
Kommission Verstöße gegen
das Verschlechterungsverbot
aufgrundderWasserrahmenRL
2000/60/EG (WRRL) bzw. der
Fauna-Flora-HabitatRL 92/43/
EG (FFH-RL): Die Anforde-
rungen, unter denen österrei-
chische Behörden Ausnahmen
vom Verschlechterungsverbot
gewähren, seien zu gering. In
keinem Fall konnten Umwelt-
NGOsRechtsbehelfe ergreifen.
Zutreffend sind auch die
Darlegungen zum österreichi-
schen Rechtsschutzsystem:
Parteistellung und Zugang zu
einer gerichtlichen Prüfung
habe in Österreich nur, wer in
Rechten betroffen sei; Mate-
riengesetze räumen entweder
ausdrücklich Parteistellung
ein oder es ergebe sich über
die Auslegung durch die Ge-
richte, die hier unterscheiden,
ob eine Bestimmung nur die
Allgemeinheit schützt oder
dem einzelnen auch subjek-
tive öffentliche Rechte und
damit Parteistellung zuspricht
(„Schutznormtheorie“).
Kern des Problems
Speziell zu den Natur-
schutzgesetzen der Bundeslän-
der rügt die EU-Kommission,
dass Nachbarn nicht einmal
geltend machen können, dass
ein Projekt gegen Natur-
schutzrecht verstoße, weil die
österreichischen Gerichte der
Auffassung sind, dass dieses
nur die Allgemeinheit schütze.
Das trifft auch den Kern des
Problems, nicht nur für das
Naturschutzrecht.
Die Hinweise Österreichs,
dass die Aarhus-KV einen gro-
ßen Ermessensspielraum gebe
und der Schutz der Umwelt
über die Landesumweltanwälte
gewährleistet sei, verwirft die
Kommission: Die AarhusKV
sehe keine Sachwalter vor, die
die Interessen der Öffentlich-
keit schützen sollen. Die Aar-
husKV verlange einen direkten
Zugang zu Gericht. Auch das
ACCC habe diese Argumen-
tation Österreichs geprüft und
verworfen.
Konkret bemängelt die
Kommission das Fehlen von
Klagerechten in den Umset-
zungen zur FFH-RL, WRRL,
AbfallrahmenRL 2008/98/
EG sowie zur LuftqualitätsRL
2008/50/EG. Aber nicht nur
Umwelt-NGOs sollen – wie
im UVP-Gesetz – Formalpar-
teistellung bekommen. Auch
Einzelpersonen sollen weiter-
gehende Klagerechte erhalten.
Wie sich Österreich in sei-
nem Antwortschreiben vom
November gegenüber Brüssel
verantwortet hat, ist nicht
bekannt. Bis Ende Dezember
2014 muss übrigens auch dem
ACCC berichtet werden. Mög-
lichweise hat Österreich schon
erste Zugeständnisse gemacht,
zumal die Konferenz der
Umweltlandesräte schon im
Sommer den Umweltminister
zur Einrichtung einer Bund-
Länder-Arbeitsgruppe für ein
Bundes-Rechtsbehelfsgesetz
aufgefordert hat, an dem sich
dann Landes-Rechtsbehelfs-
gesetze orientieren können.
Selbiges hat auch Umweltmi-
nister Rupprechter schon im
Parlament angekündigt.
Hürden
All dies sollte aber nicht zur
Einschätzung verleiten, dass
damit das Thema schon „auf
den Weg gebracht“ sei. Die
Hürden sind vielfältig – ganz
abgesehen von der naturgege-
benen Abneigung, nicht bloß
der Politik, bisher gewohnte
„Gestaltungsfreiräume“ einer
gerichtlichen Nachkontrolle zu
öffnen.
Es beginnt schon mit der
Frage, welche Verwaltungs-
akte davon erfasst sein sollen.
EU-Kommission und ACCC
folgen dabei einem umfassen-
den Verständnis. Nicht bloß
Bescheide fallen darunter.
Auch an faktische Maßnahmen
wieetwadie (Nicht-)Vornahme
von Abgasmessungen oder
Planungsaufgaben usw. ist zu
denken. Besondere Schwierig-
keiten bereitet es, die (Nicht-)
Erlassung von Verordnungen
prüfbar zu machen. Dies wird
eine Bundes-Verfassungs-
gesetznovelle brauchen. Ein
weiteres Problem ist, dass eine
bundeseinheitliche Regelung
der Zustimmung aller je nach
Materie zuständigen Ministe-
rien bedarf. Zudem: Welche
Materien fallen unter „umwelt-
bezogene Vorschriften“?
£
Politik
1998 ist in der schönen dänischen Stadt, die nach ihr benannte Konvention unter-
zeichnet worden. In Kraft getreten ist sie 2001. 47 Staaten – darunter auch Österreich
(BGBl III 2005/88) – haben die AarhusKV bisher ratifiziert. Im Langtitel lautet sie:
„Übereinkommen der Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) über den Zugang
zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den
Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten“. Die UNECE oder kurz ECE ist nach
dem Zweiten Weltkrieg zum Wiederaufbau Europas gegründet worden. Während des
Kalten Krieges ging es umdie Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen – auch zwischen
Ost und West.
Seite 12
Wirtschaft & Umwelt 4/2014
Foto: Schuh (1), Fotolia/Ciaobucarest (1)
Konvention
Aarhus kann nichts dafür
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