fen. In Großbritannien wird dann
von Energiearmut gesprochen, wenn ein
Haushalt mehr als zehn Prozent seiner
Haushaltsausgaben für Wärme aufwen-
den muss. Einen umfassenderen Ansatz
schlägt der Europäische Wirtschafts-
und Sozialausschuss (Amtsblatt der Eu-
ropäischen Union 2011/C 44/09) vor:
„Energiearmut bedeutet die Schwierig-
keit oder Unmöglichkeit, seine Wohn-
stätte angemessen und zu einem korrek-
ten Preis zu heizen sowie über weitere
grundlegende Energiedienstleistungen
wie Beleuchtung, Verkehr oder Strom
für Internet und sonstige Geräte zu ei-
nem angemessenen Preis zu verfügen.“
Die Referenzwerte der Weltgesund-
heitsorganisation (WHO) für angemes-
sene Beheizung sind eine Temperatur
von 21°C im Wohnraum und 18°C in
den weiteren Räumen.
Im Dreieck gefangen
Abseits von statistischen Zahlen
spielt sich Energiearmut im Dreieck
zwischen hohem Energieverbrauch,
hohen Energiekosten und geringem
Einkommen ab. Keine anderen Kosten-
arten verlaufen so eindeutig zu Lasten
einkommensschwacher Haushalte wie
Energiekosten: Laut Konsumerhebung
2009/2010 der Statistik Austria gibt die
unterste Einkommensgruppe mit einem
verfügbaren Einkommen von monatlich
weniger als 1.634 Euro für Energie pro
Monat 8,2 Prozent aus (gemessen an den
Gesamt-Haushaltsausgaben), die obers-
te Einkommensgruppe (mehr als 3.681
Euro) nur 3,4 Prozent.
Der höhere Energieverbrauch ein-
kommensschwacher Haushalte ist oft
die Folge von veralteten, stromintensi-
ven Haushaltsgeräten und nicht von feh-
lendem Wissen oder Willen mit Energie
sparsam umzugehen. Meist wohnen
diese Menschen in thermisch schlecht
isolierten Gebäuden und heizen mit al-
ten, ineffizienten Heizungen. Obwohl
kaum geheizt und Strom gespart wird,
bleibt die Energierechnung hoch. Ener-
gieeffizienzmaßnahmen wie Investitio-
nen in die Verbesserung der thermischen
Effizienz des Gebäudes sind zu teuer
und scheitern oft am Willen des Haus-
eigentümers – vorgeschoben wird das so
genannte „Nutzer-Investor-Dilemma“:
Der Vermieter trägt die Kosten der Sa-
nierung des Gebäudes, aber der Mieter/
die Mieterin profitiert von dem gerin-
geren Energieverbrauch und geringeren
Energiekosten. Auf den ersten Blick ein
durchaus nachvollziehbares Argument,
aber ganz so einfach ist es nicht: Der
Investor profitiert langfristig durch die
Wertsteigerung des thermisch sanierten
Gebäudes und der Vermieter hat – gemäß
§ 18 Mietrechtsgesetz – unter bestimm-
ten Voraussetzungen die Möglichkeit,
die Mieten zu erhöhen, um so notwendi-
ge Baumaßnahmen zu finanzieren.
Die Kombination von hohem Ener-
gieverbrauch, geringem verfügbaren
Schwerpunkt
Klima & Energie
Quellen: Preisblätter der Stromversorger, Österreichische
Energieagentur/ÖSPI, AK – eigene Berechnung.
*Maga Dorothea Herzele
ist Betriebs-
wirtin und Mitarbeiterin der Abteilung
Wirtschaftspolitik in der AK Wien.
Seite 22
Wirtschaft & Umwelt 1/2014
Einkommen und steigenden Energie-
preisen führt rasch zum ökonomischen
Engpass. Gerade bei den privaten Haus-
halten steigen Energiepreise stärker an,
weil Preissenkungen auf der Großhan-
delsebene nicht oder nur teilweise an
sie weitergegeben werden: So ist der
Strompreis an der Börse in den letzten
fünf Jahren um rund 40 Prozent gefal-
len, gleichzeitig sind die Haushaltsprei-
se bei einzelnen Anbietern um bis zu 20
Prozent gestiegen. Auch im Gasbereich
sind die Großhandelspreise um zwei
Prozent gesunken, die Haushaltspreise
aber bis zu 34 Prozent gestiegen. Der
internationale Vergleich bestätigt die-
se Schieflage: Die Daten der Europäi-
schen Statistikbehörde (Eurostat) zeigen
auf, dass Österreichs Privathaushalte
im EU-Vergleich überdurchschnittlich
hohe Strompreise (ohne Steuern und
Abgaben) zahlen. Die Industriepreise
hingegen liegen im unteren Mittelfeld.
Bei Gas ist es ähnlich: Auch hier sind
die Netto-Preise für Industriekunden
vergleichsweise günstig, während die
➔
Strompreisentwicklung 2008 bis 2014
HaushaltskundInnen zahlen drauf
Es wäre anzunehmen, dass der reine Energiepreis (ohne Netzentgelte,
Umsatzsteuer etc.), den der Stromlieferant autonom festlegt, eine analoge
Entwicklung zum Großhandelspreis (ÖSPI) aufweist. Im Vergleichszeitraum
2008-2014 zeigt sich jedoch, dass sich in erster Linie steigende Großhan-
delspreise im Haushalts-Energiepreis niederschlagen. Während die Großhan-
delspreise weiterhin einem starken Abwärtstrend unterliegen (seit Juli 2008
minus 40,3 Prozent), wurden nur von wenigen Stromlieferanten Preisredukti-
onen bei den HaushaltskundInnen durchgeführt. Zu beachten ist, dass diese
Zahlen lediglich die relativen Preisänderungen seit Sommer 2008 widerspie-
geln. Über die absolute Höhe der Energiepreise der einzelnen Stromanbieter
sagen diese Zahlen nichts aus.
50
60
70
80
90
100
110
120
130
01.07.2008
01.09.2008
01.11.2008
01.01.2009
01.03.2009
01.05.2009
01.07.2009
01.09.2009
01.11.2009
01.01.2010
01.03.2010
01.05.2010
01.07.2010
01.09.2010
01.11.2010
01.01.2011
01.03.2011
01.05.2011
01.07.2011
01.09.2011
01.11.2011
01.01.2012
01.03.2012
01.05.2012
01.07.2012
01.09.2012
01.11.2012
01.01.2013
01.03.2013
01.05.2013
01.07.2013
01.09.2013
01.11.2013
01.01.2014
EnergieAG
Verbund
EVN
WienEnergie
Bewag
Kelag
SalzburgAG
TIWAG
Steweag-Steg
VKW
ÖSPI
*ÖSPI = Österreichischer Strompreisindex