Viele Menschen befürchten, dass die vergleichsweise hohen
Energiepreise Europas Industrie und damit auch den europäi-
schen Wohlstand gefährden. Gleichzeitig verbleiben drängende
Umweltprobleme wie der Klimawandel ungelöst. Doch wie kann
eine moderne Energiepolitik ausschauen, die einerseits Wohl-
stand und Arbeitsplätze sichert und andererseits hilft, die Um-
welt zu schützen?
Von Sven Hergovich und Georg Kovarik*
ie im Vergleich zu den USA
hohen Energiepreise in Europa
wecken in vielen Menschen Be-
fürchtungen, dass diese Preisunterschie-
de Europas Industrie und damit das eu-
ropäische Wohlstandsmodell bedrohen
könnten. Hat doch die aktuelle Finanz-
krise gezeigt, dass Länder wie Öster-
reich, die entgegen dem internationalen
Trend auf eine starke und diversifizierte
Industrie gesetzt haben, viel besser durch
die Krise gekommen sind als Länder wie
die USA oder Großbritannien, die den
Finanzsektor aufgebläht und gleichzei-
tig deindustrialisiert haben. Was ist also
dran an diesen Befürchtungen? Führen
die hohen Energiepreise tatsächlich zu
einer Deindustrialisierung Europas?
Erdgaspreise
Tatsache ist, dass die Erdgaspreise
in Europa lange Zeit etwa gleich hoch
oder sogar etwas niedriger waren als
die Erdgaspreise in den USA. Tatsa-
che ist auch, dass die Preise für Erdgas
in Europa derzeit viel höher als die der
USA sind. Ursache dafür ist die ver-
stärkte Förderung von Schiefergas in
den USA. Schiefergas bezeichnet dabei
eigentlich normales Erdgas, welches in
wenig durchlässigemSchiefergestein la-
gert und daher bislang schwer förderbar
war. Durch die verstärkte Verbreitung
und die dadurch ausgelösten Kostensen-
kungen bei aus Umweltgründen heftig
umstrittenen Fördertechnologien wie
Fracking, hat die Förderung von Schie-
fergas in den USA rasant zugenommen.
Der Anteil an unkonventionellem Erd-
gas an der gesamten US-amerikanischen
Fördermenge liegt daher bereits bei 60
Prozent. Obwohl sich die Preisunter-
schiede zwischen US-amerikanischem
und europäischem Erdgas abschwächen
werden, kann davon ausgegangen wer-
den, dass die Gaspreise in Europa mit-
telfristig etwa doppelt so hoch wie die in
den USA bleiben.
Auswirkungen
Um nachzuvollziehen, welche Aus-
wirkungen die hohen Energiekosten auf
den Industriestandort haben, ist der An-
teil der Energiekosten an den Gesamt-
kosten eines Industrieunternehmens von
großer Bedeutung. Bei energieinten-
siven Industrieunternehmen entfallen
etwa 15 Prozent der Produktionskosten
auf Kapitalkosten. 20 Prozent entfallen
auf Personalkosten und 55 Prozent auf
Vorleistungen ohne Energie. Die ver-
bleibenden zehn Prozent sind der Anteil
der Energiekosten an denGesamtkosten.
Dies bedeutet nichts anderes, als dass,
wenn ein Land doppelt so hohe Energie-
kosten hat, dieses Land unter der Annah-
me gleicher Kapital- und Vorleistungs-
kosten, nur dann zu gleichen Kosten
produzieren kann, wenn die Personal-
kosten die Hälfte betragen oder wenn die
Fotos: Schuh (2)
* Mag. Georg Kovarik
leitet das
volkswirtschaftliche Referat des
ÖGB.
Mag. Sven Hergovich
ist Ökonom
und Mitarbeiter der Abteilung
Umwelt und Verkehr der AK Wien.
Standortfaktor
Energiepreise
D
Seite 18
Wirtschaft & Umwelt 1/2014
Zusammenfassung:
Um Europas Wohlstand
und Arbeitsplätze zu si-
chern und gleichzeitig die
Umwelt zu schützen, sollte
eine nachhaltige Energie-
politik verfolgt werden:
Erneuerbare Energien
sollten gezielt gefördert
und kosteneffizient zur
Marktreife herangeführt
werden. Die Transportin-
frastruktur für Erdgas
muss ausgebaut werden.
Und drittens muss die
Energieeffizienz drastisch
gesteigert werden.
Schwerpunkt
Klima & Energie
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