Hilfreich ist der Vorschlag der
Kommission nur für interna-
tional tätige Transportkon-
zerne. Sie können sich dann
jene Routen herauspicken, die
Gewinne versprechen. Für die
Gesellschaft ist der Liberali-
sierungsvorschlag jedoch ein
klarer Nachteil, muss sie doch
auf die gewinnbringenden
Strecken verzichten, während
der öffentlichen Hand die
wenig ertragreichen Routen
bleiben. In Summe zahlt die
Gesellschaft mit dieser Li-
beralisierungsstrategie also
drauf. Umweltpolitisch ist
zu befürchten, dass es aus
Kostengründen zu weiteren
Stilllegungen der nicht er-
tragreichen Nebenstrecken
kommt und viele Passagiere
daher von der Schiene auf die
Straße wechseln müssen. Das
ist jedenfalls ein Widerspruch
zum Weißbuch Verkehr, das
von den Zielen der Verlage-
rung des Transports auf die
Schiene und einer Reduktion
der Treibhausgase spricht.
Das EU-Parlament hat gerade
erst Ende Februar über den
Kommissionsvorschlag ab-
gestimmt: Die EU-Abgeord-
neten sehen nun eine Direkt-
vergabe zwar vor, allerdings
nur, wenn strikte Auflagen
erfüllt sind. Für die Mehrheit
der EU-MandatarInnen sind
damit Wirtschaftsinteressen
wichtiger als die Bedürfnisse
der Gesellschaft.
Megatricks
Den Vogel abgeschossen
hat der liberale EU-Verkehrs-
kommissar Siim Kallas jedoch
bei der Frage zur grenzüber-
schreitenden Zulassung von
mit 25,25 Metern überlangen
und bis zu 60 Tonnen schwe-
ren Lastkraftwagen. Nach
einem Besuch bei der interna-
tionalen Frächterorganisation
IRU verkündete Kallas kur-
zerhand – ohne einen neuen
Rechtsvorschlag dazu zu
verfassen – dass diese LKW
nun im gesamten EU-Raum
grenzüberschreitend genutzt
werden dürfen, wenn die je-
weils betroffenen Mitglied-
staaten damit einverstanden
sind. Bisher sind LKW mit
maximal 40 Tonnen erlaubt.
Aus der Warte der Umwelt-
politik wäre eine derartige
Maßnahme verheerend: Güter,
die aufgrund ihrer Beschaf-
fenheit und ihres Volumens
derzeit nur mit den umwelt-
schonenden Verkehrsträgern
Bahn und Schiff transportiert
werden, könnten künftig auch
per LKW verbracht werden.
Die Schadstoffemissionen
werden damit in die Höhe ge-
schraubt, statt sie zu senken.
Das EU-Parlament machte bei
diesem Vorhaben vorerst nur
deswegen nicht mit, weil es
sich vom Verkehrskommis-
sar umgangen fühlte. Kallas
reichte schließlich doch noch
einen deutlich abgeschwäch-
ten Richtlinienvorschlag nach.
Im Verkehrsausschuss des
EU-Parlaments stimmten die
Abgeordneten vorerst gegen
den grenzüberschreitenden
Einsatz der Megatrucks, viele
wirtschaftsnahe MandatarIn-
nen stehen aber nach wie vor
klar zu den Megatrucks.
Der schockierendste Vor-
schlag kam jedoch von EU-
Kommissar Barnier mit der so
genannten „Dienstleistungs-
konzessions-Richtlinie“. Darin
ist, im Rahmen eines überaus
komplexen Rechtstextes ver-
steckt, die Liberalisierung
öffentlicher Dienstleistungen
vorgesehen, insbesondere das
Allgemeingut Wasser. Nur
heftige Proteste vieler Organi-
sationen, darunter der Gewerk-
schaften sowie der Arbeiter-
kammer, konnten verhindern,
dassdieöffentlicheVersorgung
mit Wasser dem privaten, auf
Gewinn ausgerichteten Markt,
geopfert wird. Eine Petition
gegen den Privatisierungsplan
(
) er-
brachte beinahe 1,9 Millionen
Unterschriften.
Wirtschaftsnah
Der Grund, warum sich
immer wieder die Wirtschafts-
interessen einzelner Unterneh-
men oder Unternehmensver-
bände durchsetzen, dürfte zu
einemwesentlichen Teil an den
politischenKräfteverhältnissen
liegen. Die wirtschaftsnahen
Parteien verfügen in allen drei
EU-Institutionen über beein-
druckende Mehrheiten (siehe
auch Kasten und Grafik Seite
11). Und das nicht erst seit der
letzten Legislaturperiode: Fast
kann man davon sprechen, dass
absolute Mehrheiten für den
wirtschaftsnahen Flügel Tradi-
tion haben: Im EU-Parlament
war der Wirtschaftsflügel in
sechs von sieben Legislatur-
perioden die stärkste Kraft.
Um Umweltziele durchsetzen
zu können, ist es also not-
wendig, zumindest Teile der
wirtschaftsnahen Parteien von
Umweltvorhaben zu überzeu-
gen.
£
Politik
In den EU-Institutionen war in den
vergangenen Jahren immer wieder
von „Green Jobs“ zu hören. Diese
würden Beschäftigung schaffen
und gut für die Umwelt und fürs
Wirtschaftswachstum sein, so die
Hoffnung einiger EU-BeamtInnen.
Die Realität sieht jedoch anders
aus, wie eine AK-Studie feststellt:
Meist handelt es sich um klassische
Beschäftigungsverhältnisse, zum
Beispiel im Handel und kaum um
Umweltberufe. Dass die EU unter
„Green Jobs“ etwa auch Arbeit-
nehmer in der Automobilindustrie
versteht, ist mehr als problematisch
und Wasser auf die Mühlen der EU-
Skeptiker.
PDF/Informationen_zur_Umweltpo-
litik_186.pdf
Seite 12
Wirtschaft & Umwelt 1/2014
Foto: schuh (1), TTstudio/Fotolia.com (1)
Green Jobs?
Beschäftigung und Umwelt in der EU
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