Widerstand im Umweltministerium
gestoßen. Auch die Länder sollen dem
reserviert gegenüberstehen. Dass die AK
keine Möglichkeit haben soll, unmittel-
bar an der Umsetzung der NStratNEU
mitzuwirken, ist aus unserer Sicht nicht
anschlussfähig und kaum mit den hohen
Ansprüchen an Partizipation und Trans-
parenz bei Nachhaltigkeitsprozessen in
Einklang zu bringen.
Außerdem beteiligen sich die Länder
am derzeitigen NStrat-Prozess nur „zur
Information“. Die Absicht von Bundes-
kanzleramt und Umweltministerium,
die NStratNEU im Rahmen der ÖStrat-
Arbeitsprogramme umzusetzen, ist mit
den Ländern nicht abgestimmt. Es könnte
auch sein, dass die Länder einer künftigen
AusweitungderÖStrat-Themenfelder an-
hand der „umfänglicheren“ Handlungs-
felder der NStratNEU nicht zustimmen.
Wer klug ist, zieht nicht aus, bevor er
nicht weiß, wo er hinziehen wird. Daher
sollte man auch in all diesen Fragen eine
Klärung mit den Ländern suchen, bevor
eine endgültige Entscheidung erfolgt.
DIE ZEIT DRÄNGT
Verständlich sindBefürchtungen, dass
zusätzliche Akteure auch zusätzliche Ab-
stimmungsprobleme bewirken. Wie zäh
solche Nachhaltigkeitsprozesse ablaufen
können, kann man gerade jetzt beobach-
ten. Doch da hilft nicht Ausgrenzung,
sondern nur die richtige Entscheidungs-
ebene. Ministerien haben zu vielen Fra-
gen, die in der NStratNEU angesprochen
werden, gar nicht die Kompetenz. Viele
der Vorschläge werden früher oder später
gesetzlicherMaßnahmenbedürfen, damit
sie auf Schiene kommen. Ministerrat und
Landeshauptleutekonferenz sind sicher
nicht die „höchsten politischen“ Gremien
auf Bundes- bzw. Landesebene, wie dies
der Rechnungshof 2010 empfohlen hat.
Das ist vielmehr das Parlament! Warum
spricht niemand darüber, dass das Par-
lament die NStratNEU beschließen und
politisch weiter begleiten sollte? Dann
könnte es auch gelingen, die Strategie
mit konkreteren Zielen zu versehen, die
bis jetzt fehlen. Spätestens wenn 2015 die
UN-Nachhaltigkeitsziele die aktuellen
Millennium-Entwicklungsziele ablösen,
so wie dies in Rio+20 bekräftigt worden
ist, werden wir Ähnliches auch in Öster-
reich brauchen.
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Schwerpunkt
Seite 24
Wirtschaft & Umwelt 3/2012
Interview folgt
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Prof. Dr. rer. pol. Heinz-J. Bontrup
ist Hochschullehrer an der Westfälischen
Hochschule Gelsenkirchen, Fachbereich
Wirtschaftsrecht, und Sprecher der
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik.
Ist „Green Economy“ im Kapita-
lismus möglich?
Bontrup:
Ich glaube nicht. Sonst
hätten wir längst eine bessere
Umwelt. Raubbau an der Natur ist
dagegen an der Tagesordnung. Wir
entreißen ihr die nichtregenerativen
Rohstoffe, produzieren nach wie
vor energieintensiv, häufig Pro-
dukte die eigentlich keiner braucht,
und selbst der Konsum der produ-
zierten Güter verursacht enorme
Umweltschäden, wenn sie nur an
den Autoverkehr denken. Es droht
mittlerweile eine Klimakatastrophe.
Was sind die Hemmnisse?
Bontrup:
Im Kapitalismus der Ka-
pitalist, es sei denn, er verdient mit
der Produktion von Umweltgütern
Geld. Aber auch diese können
nicht ohne Rohstoffverbräuche
und Umweltbelastungen herge-
stellt werden. Eine vollständige
Internalisierung, bezogen auf
Rohstoffe und Emissionen, in die
Preise geht zu Lasten der Profite.
Können die Kapitaleigner die
Umweltkosten nicht über ihre Pro-
duktpreise erlösen, so ist ihr Profit
nicht maximal. Hier bekommt
jeder Kapitalist Störgefühle. Und
wälzen sie die Umweltkosten auf
die Nachfrager weiter, so werden
viele Konsumenten auf Grund ihrer
niedrigen Einkommen die Produkte
nicht mehr kaufen können. Auch
hier verliert der Kapitalist durch
weniger Nachfrage, aber auch
der wirtschaftlich Schwache,
weil er von der Konsumption
ausgeschlossen wird. Dies wirft die
soziale Frage auf.
Warum dann der Etiketten-
schwindel?
Bontrup:
Ganz einfach. Weil der
Kapitalist den Kapitalismus nicht
abschaffen will. Er profitiert von
diesem System am meisten. Auch
eben wegen einer Nicht-Internali-
sierung der Umwelt in die Preise.
Welche Bedingungen braucht
sozial-ökologischer Fortschritt?
Bontrup:
Ein anderes Wirtschafts-
system. Ein System, das auf einer
Wirtschaftsdemokratie basiert und
nicht auf einem Diktat des Kapitals
zur maximalen Profitbefriedigung
von Wenigen in einer Gesellschaft.
Nur eine demokratische Wirtschaft,
die alle Interessen des arbeitenden
Menschen und eben auch der
Umwelt gleichberechtigt bündelt
und durch eine entsprechende
Wirtschaftspolitik des Staates über
kontrollierte Märkte aussteuert,
macht einen gesellschaftlich inte-
grativen sozial-ökologischen Fort-
schritt möglich. Wer sich hiermit
vertieft auseinandersetzen will, dem
kann ich mein Buch „Arbeit, Kapital
und Staat. Plädoyer für eine demo-
kratische Wirtschaft“ empfehlen.
/
m1305.pdf
Mehr Ausführungen rund um
dieses Thema finden Sie im
Referat von Prof. Bontrup auf der
Zukunftskonferenz der Arbeiter-
kammer Linz am 12. Juni 2012:
„Fortschritt sozial-ökologisch
gestalten“
/
watch?v=UFw7c7vZrxk
INTERVIEW MIT PROF. HEINZ-J. BONTRUP
GREEN ECONOMY – GIBT’S DIE?
Die Wirtschaft gibt sich gerne „grün“. Doch Wirtschafts-, Wachs-
tums- oder Umweltkrisen lassen zunehmend Zweifel daran auf-
kommen, wie nachhaltig „Green Economy“ wirklich ist.