urch dieWirtschaftskrise kommt
der Umweltschutz unter Druck.
Aber kann nicht mehr Effizienz
unsere Umweltprobleme lösen? Tatsäch-
lich gelingt es Jahr für Jahr, effizienter
zu produzieren und neue noch umwelt-
freundlichere Technologien zu entwi-
ckeln. Wir brauchen immer weniger
Energie, um die gleiche Menge anWohl-
stand zu erwirtschaften, was nicht nur ein
großer umweltpolitischer Erfolg ist. Da-
mit das effizientere Produzieren von Gü-
tern sich aber auch in tatsächlichen um-
weltpolitischen Erfolgen niederschlägt,
müssen die Effizienzsteigerungen größer
ausfallen als die Steigerung der Produk-
tion des jeweiligen Gutes. Nur dann geht
auch die tatsächliche Umweltbelastung
zurück. In diesem Fall spricht man auch
von absoluter Entkoppelung – im Unter-
schied zur relativen Entkoppelung (Kas-
ten Seite 16).
Gelingt uns eine solche absolute Ent-
koppelung bereits oder benötigt diese
eine Änderung unseres Wirtschaftssys-
tems? Ein Blick in die Statistiken zeigt,
dass einigen Ländern zumindest bei man-
chen Umweltindikatoren eine solche ab-
solute Entkoppelung zu gelingen scheint.
So konnte etwa Deutschland seine C0
2
-
Emissionen in den letzten Jahren deutlich
senken. Dies gilt selbst dann, wenn man
den Effekt der aktuellen Wirtschaftskrise
und den Effekt der Deindustrialisierung
in Ostdeutschland herausrechnet, wie
KritikerInnen das fordern. Hierbei wird
eingewendet, dass dabei nur Emissionen
von in Deutschland produzierten Gü-
tern gemessen werden. Emissionen von
in anderen Staaten produzierten, aber in
Deutschland konsumierten Produkten
werden nicht berücksichtigt. Allerdings
gibt es derzeit keinen internationalen
Konsens, die Zuordnung der Emissionen
nach dem Konsum statt wie bisher nach
der Produktion vorzunehmen. Aber Fak-
tum bleibt, dass es Deutschland gelungen
ist, insgesamt mehr Güter und Dienstleis-
tungen bereitzustellen und dabei weniger
Treibhausgase auszustoßen. Auch Groß-
britannien hat es trotz Wirtschaftswachs-
tum geschafft, seine C0
2
-Emissionen
deutlich zu reduzieren – primär dadurch,
dass Kohle- durch Gaskraftwerke ersetzt
wurden.
Betrachtet man lokale Umweltprob-
leme, so lässt sich sogar feststellen, dass
diese mit steigender Wirtschaftskraft
leichter zu lösen sind. So ist etwa die
Wasserqualität des Rheins heute viel bes-
ser als noch vor 50 Jahren. Dies liegt dar-
an, dass wohlhabende Staaten über mehr
finanzielle Mittel verfügen, die sie eben
auch in den Umweltschutz investieren
können. Überhaupt konnten gerade im
Bereich der Wasserreinhaltung deutliche
Fortschritte erzielt werden. Leider ist der
Effekt, dass steigender Wohlstand mehr
Umweltschutz ermöglicht, nur für lokale
Umweltprobleme, wie z. B. die Wasser-
qualität in Seen, beobachtbar.
Fotos: Schuh (1), Mapoli-photo fotolia.com, braverabbit - iStockphoto.com
*Sven Hergovich Bakk.
ist
Ökonom und Mitarbeiter der
Abteilung Umwelt & Verkehr in
der AK Wien.
weiter auf Seite 16
Schwerpunkt
NACHhaltigkeit
Umweltschutz in der
neoliberalen Falle
D
Die globalen Treibhausgasemissionen haben ein neues Allzeit-
hoch erreicht und auch der Ressourcenverbrauch steigt Jahr für
Jahr weiter an. Solche Berichte lösen bei vielen Menschen das
Gefühl aus, dass unser derzeitiges Wirtschaftssystem nicht mit
wichtigen Umweltschutzzielen vereinbar ist. Stimmt dieses Ge-
fühl? Was sind die Tatsachen?
VON SVEN HERGOVICH*
Zusammenfassung:
Während Vermögende
und Konzerne als Haupt-
verursacher von Umwelt-
verschmutzung gelten,
sind Ärmere von Umwelt-
belastungen besonders
stark betroffen. Trotz
zahlreicher Bemühungen
sind viele Umweltprobleme
nach wie vor ungelöst.
Zeit zu hinterfragen, ob
nicht auch strukturelle
Systemänderungen not-
wendig sind. Denn mehr
Umverteilung könnte einen
wichtigen Beitrag für eine
umweltfreundlichere Ge-
sellschaft leisten.
Seite 14
Wirtschaft & Umwelt 3/2012
1...,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13 15,16,17,18,19,20,21,22,23,24,...36