industriellen Ballungsräumen unge-
sund sein kann. Die großen Smogkata-
strophen in der Mitte des 20. Jahrhun-
derts, allen voran die Smogepisode von
London im Jahr 1952, lehrten uns, dass
die ungünstige Kombination starker
Rußproduktion aus Industrie, Verkehr
und Hausbrand einerseits und eine aus-
tauscharme Wetterlage andererseits zu
massiven Beeinträchtigungen der Luft-
qualität und zu einer deutlichen und lang
anhaltenden Zunahme der Sterbefälle
und Krankenhausaufnahmen führt. Bald
darauf setzten sehr intensiveMaßnahmen
zur Luftreinhaltung ein, die in den Indus
trieländern auch erfolgreich waren.
GESUNDHEITSSCHÄDEN
Diese Schäden werden durch ver-
schiedene Mechanismen ausgelöst, die
unter anderem auch von der chemischen
Zusammensetzung der Staubteilchen ab-
hängen. Die allgemeine Wirkung aller
Staubarten besteht darin, dass Staubteil-
chen in der Größe bis zu wenigen Mik-
rometer Durchmesser von den Abwehr-
zellen des menschlichen Immunsystems
als „Eindringlinge“ aufgefasst und ent-
sprechend bekämpft werden. Diese im-
munologische Reaktion führt primär zur
Entzündung in den Atemwegen, sekun-
där aber auch in den Wänden der Blutge-
fäße und in den inneren Organen. Diese
Entzündungsreaktion ist nicht von der
chemischen Zusammensetzung und auch
nur in geringem Maße von der Größe
und von der Form der Teilchen abhän-
gig. Besonders kleine Teilchen mit unter
zehn Nanometer (10 nm) Durchmesser
entgehen wahrscheinlich dieser Immun-
reaktion und größere Teilchen mit über
zehn Mikrometer (10 µm; 100 µm = 1/10
mm = ca. 1 Haaresbreite) Durchmesser
bleiben zum überwiegenden Teil bereits
in Mund und Nase hängen und werden
daher nicht eingeatmet. Eventuell sind
wasserlösliche Staubteilchen weniger
gefährlich, weil sie sich bei Kontakt mit
den Schleimhäuten auflösen und dadurch
ihren Teilchencharakter verlieren und
so das Immunsystem nicht stimulieren.
Andererseits kommen auch diese Körner
nicht isoliert in reiner Luft vor. So können
sie als Kondensationskeime für größere
Teilchen dienen, an die sich teilweise gif-
tige schwerer flüchtige organische Sub-
stanzen anlagern, die mit dem löslichen
Kern in die tieferen Atemwege transpor-
tiert werden und das Staubkorn vor der
raschen Auflösung schützen.
LANGZEITWIRKUNG
Viel bedeutender als chemische Zu-
sammensetzung, Größe und Form ist
daher die Gesamtzahl der Teilchen, da
jedes Teilchen jeweils eine Abwehrzel-
le aktivieren kann. Die Reaktion einer
einzelnen Entzündungszelle wird in aller
Regel noch keinen bleibenden Schaden
am Gewebe setzen. Eine Schwelle, ab
Schwerpunkt
Luftreinhaltung
*Doz. Dr. med. univ. Hanns Moshammer
ist Umweltmediziner an der Meduni Wien,
Institut für Umwelthygiene, Vorsitzender des
Vereins „ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt“
und Sachverständiger für Umweltmedizin.
Seite 22
Wirtschaft & Umwelt 4/2012
der eine Entzündung zu einer bleibenden
Narbe im Gewebe führt, die sich dann
zum Beispiel zu einer Verdickung in der
Gefäßwand und in der Folge zur Arteri-
enverkalkung weiter entwickelt, ist indi-
viduell sehr unterschiedlich. Wie überall
spielen zusätzliche Belastungen und vor
allem genetische Faktoren eine wichtige
Rolle. Jedenfalls treten schon bei heut-
zutage üblichen Staubbelastungen und
nicht erst bei Überschreitung der gesetz-
lichen Grenzwerte bei vielen Menschen
solche langfristige Schäden hinterlassen-
de Entzündungsvorgänge auf.
Von kurzfristigen Belastungsspitzen
sind daher besonders Personen mit Vor-
erkrankungen betroffen, für die bereits
eine geringe Verschlechterung gefähr-
lich ist: Patienten mit chronischen Lun-
generkrankungen oder mit schweren
Gefäßverkalkungen wie z.B. Durchblu-
tungsstörungen amHerzen können selbst
im Zuge einer kurzen Schadstoffepisode
sterben. Gegenüber längerer Belastung
sind vor allem kleine Kinder empfäng-
lich. Zudem haben in jungen Jahren ge-
➔
STICKSTOFFDIOXID (NO
2
)
GESUNDHEITSSCHÄDLICHE EFFEKTE
Als gasförmiger stark oxidierender Schadstoff wirkt NO
2
aggressiv auf die
Schleimhäute in den Atemwegen und der Lunge. Es treten Entzündungen
in den Atemwegen auf und die Infektionsabwehr wird geschwächt. Kranke
Menschen, etwa Asthmatiker, sind hinsichtlich einer akuten Wirkung emp-
findlicher (z.B. Verringerung der Lungenleistung). Wesentlich relevanter
als die Akutwirkungen sind die Langzeitwirkungen verkehrsnaher NO
2
-
Immissionen für die menschliche Gesundheit. Betroffen sind dabei vor allem
die Atemwege. So wurden in Bevölkerungsgruppen, die über längere Zeit
erhöhten NO
2
-Werten ausgesetzt sind, u.a. ein gehäuftes Auftreten von chro-
nischem Husten und Infektionen wie Bronchitis beobachtet.
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