bwohl sie bis heute den
Beweis ihres Erfolges
schuldig bleibt, strebt
die Europäische Kommission
(EK) im mittlerweile vierten
Eisenbahnpaket die weitere
Liberalisierung des Eisen-
bahnsektors an. Geplant ist die
zwangsweise Ausschreibung
von jeglichem öffentlich finan-
ziertem Schienenpersonenver-
kehr, unabhängig davon, ob das
derzeitige Angebot funktioniert
oder nicht und unabhängig
davon, ob die KundInnen zu-
frieden sind oder nicht. Betrof-
fen davon sind beispielsweise
Schnellbahnsysteme (Wien,
Graz, Salzburg) und Regional-
bahnsysteme (Badner Bahn,
Salzburger Lokalbahn), nicht
allerdings rein innerstädtische
Bahnen (Straßenbahnen, U-
Bahnen).
EU-Pläne
Die bisherige Wahlfreiheit
zwischen Direktvergabe und
Ausschreibung soll den Behör-
den genommen und ihre poli-
tischen Gestaltungsmöglich-
keiten eingeschränkt werden.
Die bewährte Zusammenarbeit
zwischen Behörden bzw. Ver-
bünden mit Eisenbahnun-
ternehmen kann nicht mehr
fortgesetzt werden. Daneben
ist vorgesehen, den nationalen
Personenverkehr auch dort zu
liberalisieren, wo keine Ver-
gaben oder Ausschreibungen
stattfinden. Ziel ist, dass jedes
konzessionierte Eisenbahnver-
kehrsunternehmen überall und
zu jeder Zeit Trassen beantra-
gen und Verkehrsleistungen
erbringen kann. Der wichtige
Vorteil ist, so die EK, dass ein in
Rumänien konzessioniertes Ei-
senbahnverkehrsunternehmen
mit einer griechischen Sicher-
heitsbescheinigung künftig mit
bulgarischen LokführerInnen
und ungarischen Zugbegleiter
Innen den Regionalverkehr
zwischen Wien und Wiener
Neustadt, Klagenfurt und
Villach, Wien und Bratislava
abwickeln kann. Diese Maß-
nahme würde das bestehende
System vereinfachen, die Rei-
bungsverluste optimieren und
für die Kunden – quasi automa-
tisch – ein maßgeschneidertes,
billigeres und besseres Angebot
bringen. Nicht geregelt werden
die künftigen harmonisierten
Rahmenbedingungen für den
Wettbewerb: Der angekündigte
Schutz des gemeinwirtschaftli-
chen Verkehrs bleibt letztlich
zahnlos, wichtige Sicherheits-
bestimmungen (Wartungsin-
tervalle, Mindestkontrollen, an-
gestrebtes Sicherheitsniveau)
werden nicht oder nur nebulos
formuliert.
Schon bisher: Teuer
und wirkungslos
„Konzessionsentzug wegen
fürchterlichem Angebot“,
„Zwangsverstaatlichung auf-
grundhorrender Unfallzahlen“,
„teuerste Bahnen Europas“
sind nicht gerade Schlagzeilen
eines gelungenen Projektes. Sie
stammen aus Großbritannien.
*
DI Gregor Lahounik
ist
Raumplaner und Mitarbeiter der
Abteilung Umwelt & Verkehr in der
AK Wien.
Das Urteil der BahnfahrerInnen ist klar: Wir haben pünktliche, sichere und
saubere Züge, die mit der Region gut verknüpft sind. Das muss, geht es
nach den Wünschen der EU-Kommission, geändert werden. Mittel dafür ist
das 4. Eisenbahnpaket, ein klassischer „Trojaner“ mit dem eigentlichen Ziel,
Volksvermögen ungestraft verschleudern zu dürfen.
VON Gregor Lahounik*
Fotos: Schuh (2)
Politik
Gewinner I
Steigerung des Personalaufwandes trotz weniger Personal? So geschehen
in Frankfurt/Main im Zuge der Liberalisierung. Freilich hat sich die Gehalts-
struktur hin zum Management verschoben. Vernichtung von Existenzen bringt
einfach fette Gewinne für die ManagerInnen.
Zusammenfassung:
Liberalisierung macht
die Bahnen nicht besser.
Weder sind die Kunden
zufriedener, noch gibt es
eine Verlagerung des Ver-
kehrs von der Straße zur
ökologischen und sicheren
Schiene. Von den ange-
kündigten Einsparungen
bleiben oft nur Mehrkosten
und Zugeinstellungen
übrig. Es geht letztlich
nämlich nicht um Ver-
kehrspolitik, sondern um
Verteilungspolitik – bei der
EU-Kommission wieder
einmal von unten nach
oben.
4. EU-Eisenbahnpaket:
Liberalisierungswahn
O
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Wirtschaft & Umwelt 2/2013