n Chile fällt nicht viel Regen.
Um dort Landwirtschaft zu
betreiben, braucht es Bewäs-
serung. Im Jahr 1981 erließ die chile-
nische Regierung ein Gesetz, das das
Verfügungsrecht über das Grundwasser
vom Grundeigentum loslöste. Damit
war es erstmals möglich, das Recht zur
Nutzung von Wasser zu kaufen, ohne
gleichzeitig das Eigentum am Grund
zu erwerben. Mit diesem Gesetz wurde
auch die Aufsicht über die Wassernut-
zung durch den Staat zurückgenommen.
Zwei wesentliche Argumente wurden
für diese Neuordnung des Eigentums
am Wasser ins Treffen geführt. Zum ei-
nen seien auf diese Weise die Rechte am
Grundwasser klarer geregelt als zuvor;
das Ende der rechtlichen Unsicherheit
würde die Bereitschaft zur Investiti-
on in Bewässerungsanlagen erhöhen.
Zum anderen würde Wasser auf diese
Weise so gewinnbringend wie möglich
genutzt, da nun diejenigen den höchsten
Preis dafür zahlen würden, die mit dem
Wasser auch den höchsten Nutzen er-
wirtschaften könnten.
In den Jahren 1996/1997, während ei-
ner schwerenDürre in Chile, zeigten sich
die Effekte dieser Neuordnung: Klein-
bauern hatten nicht mehr genug Wasser
zur Bewässerung der Felder, während
das mittlerweile privatisierte Energie-
versorgungsunternehmen ENDESA
weiterhin Wasser für seine Kraftwerke
zur Verfügung hatte. Ja – das Wasser
wurde damit gewinnbringender einge-
setzt als wenn es für die Bewässerung der
Felder gedient hätte. Doch von diesem
Gewinn hatten die Kleinbauern nichts,
denn es waren Gewinne für die Eigentü-
mer der ENDESA. Dass das Gesetz von
1981 von den Kleinbauern als ungerecht
empfunden wird, ist verständlich.
Chile war, besonders nach dem Mi-
litärputsch von Augusto Pinochet ge-
gen Salvador Allende im Jahr 1973, ein
politisches Labor für die neolibaralen
Ideeen der „Chicago Boys“, von Wirt-
schaftspolitikern der ökonomischen
Schule um Milton Friedman von der
Universität Chicago. Sie sprachen sich
dafür aus, wirtschaftliche Entscheidun-
gen weitgehend den Kräften des Mark-
tes zu überlassen, und wollten staatliche
regulierende Eingriffe weitgehend zu-
rückdrängen. Das Gesetz zur Schaffung
von handelbaren Rechten am Grund-
wasser ist ein Paradebeispiel für diese
Denkweise.
Umwelt als Ware?
Die Nutzung des Grundwassers
wird in diesem Fall zu einer Ware,
die gehandelt werden kann. Im
Englischen werden Waren „commo-
dity“ genannt; davon leitet sich der
Begriff „Kommodifizierung“ ab, der
einen Vorgang bezeichnet, bei dem
ein Gut zu einer Ware gemacht wird.
Fotos: Schuh (3),
*Dr. Christoph Streissler
ist
Chemiker und Mitarbeiter der
Abteilung Umwelt & Verkehr in
der AK Wien.
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Schwerpunkt
WARE UMWELT
Die Umwelt, lieb
und wert
I
Um die Umwelt ist es nicht so gut bestellt, und Kapital sucht
neue Anlagemöglichkeiten. Was liegt näher, als die Umwelt für
Investitionen zu öffnen? Das funktioniert umso besser, je weni-
ger der Staat sich dabei einmischt. Soweit das neoliberale Cre-
do. Wie weit ist diese Vorstellung in der Politik mittlerweile etab-
liert? Und: Kann das funktionieren?
VON Christoph Streissler*
Zusammenfassung:
Die neoliberale Theorie
sieht in Umweltproble-
men den Ausdruck einer
mangelhaften Festlegung
von Preisen für die Nut-
zung oder Belastung der
Umwelt. Ihre Lösung:
weniger staatliche Ein-
griffe und Privatisierung
der Nutzungsrechte. Doch
ein derartiges Konzept
stößt bei etwas komple-
xeren Konstellationen von
Verursacher und Geschä-
digtem sehr schnell an
seine Grenzen.
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Wirtschaft & Umwelt 2/2013
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