als Schutz vor den Auswirkungen eines
Tsunamis auch in die Rechnung eingeht,
so steigt ihr Wert auf 18.641 Dollar. Die
Proponenten von WAVES schließen
daraus, dass es ökonomisch sinnvoller
ist, die Mangroven nicht zu roden, damit
ihre Schutzfunktion erhalten bleibt.
Probleme
Rechnerisch mag das stimmen. Doch
damit die Mangroven tatsächlich er-
halten bleiben, müssen diejenigen, die
von der Schutzfunktion der Mangroven
profitieren, in die Entscheidung einge-
bunden sind. Wenn sie ähnlich durch-
setzungsstark wie die GegnerInnen
sind, können sie diejenigen, die über die
Form der Nutzung der Mangroven ent-
scheiden, dazu bringen, ihre Interessen
zu berücksichtigen – beispielsweise,
indem sie ihnen den Nutzungsentgang
abgelten. Das erfordert aber starke In-
stitutionen und unabhängige Gerichte,
die über die Einhaltung der Verträge
wachen. Es ist vielfach nachgewiesen,
dass ärmere Menschen bei der Durch-
setzung ihrer Rechte gegenüber reiche-
ren benachteiligt sind. Weiters muss der
ursächliche Zusammenhang zwischen
der Tätigkeit des einen und dem Scha-
den für den anderen stets klar nachweis-
bar sein. Küstennahe BewohnerInnen
werden nur dann für die Erhaltung der
Mangroven zu zahlen bereit sein, wenn
sie sicher sein können, dass sie dadurch
tatsächlich besser geschützt sind. Doch
wer könnte ihnen das garantieren?
Darüber hinaus können in diesem
Denkmuster die Interessen von zukünf-
tigen Generationen nicht berücksich-
Diese Kommodifizierung wird – be-
sonders seit den späten 1980er Jahren
– als mögliche Lösung von Umweltpro-
blemen genannt.
Die neoklassische Theorie ist der Auf-
fassung, dass Umweltschäden daraus
entstehen, dass den Schutzgütern ein ad-
äquater Preis fehlt. Müsste ein Schädiger
einen angemessenen Preis für die Inan-
spruchnahme von Boden, Wasser oder
Luft etc. zahlen, so würde er die Schädi-
gung unterlassen. Beispiel: Eine Zemen-
tanlage verschmutzt dieLuft durchStaub,
der Betreiber muss aber dafür nichts be-
zahlen. Müsste der Anlagenbetreiber für
die Emission Geld entrichten, so wäre
dies – bei ausreichend hohem Preis – ein
Anreiz, stattdessen einen Filter einzubau-
en. Eine „Bepreisung“ der sauberen Luft
würde daher den Inhaber des Zement-
ofens dazu bringen, die Staubemissio-
nen zu reduzieren, soweit die Kosten der
Emissionsreduktion geringer sind als der
Preis, den er für die Verschmutzung zu
zahlen hätte. Diese Zahlung für die sau-
bere Luft könnte die Form einer Steuer
für die Emission haben. Sie könnte aber
auch darin bestehen, dass die Geschädig-
ten – beispielsweise die (hypothetische)
benachbarte Lungenheilanstalt – vom In-
haber der Anlage Schadenersatz fordert.
Wie der Preis für die Verschmutzung ent-
steht, ist also unerheblich.
Was kostet die Umwelt?
Dieser Vorgang wird von Ökono-
men als „Internalisierung der Kosten“
bezeichnet. Statt die Kosten der Um-
weltbelastung – genauer: die Kosten für
Schäden infolge der Umweltbelastung
– anderen, Außenstehenden (Externen)
aufzubürden, hat der Verursacher selbst
diese Kosten zu tragen. Die Kosten tre-
ten damit im Inneren des Betriebs auf,
sie sind „internalisiert“.
Ein weiteres Beispiel ist die „Beprei-
sung“ des Ausstoßes von klimaschäd-
lichem Kohlendioxid (CO
2
) im EU-
Emissionshandel. ImWesentlichen sind
große europäischen Emittenten von CO
2
– kalorische Kraftwerke, Hochöfen,
Raffinerien, etc. – dazu verpflichtet, für
ihren Ausstoß an CO
2
einen gewissen
Preis zu zahlen, indem sie jedes Jahr
eine ihren Emissionen entsprechende
Zahl an Zertifikaten an den Staat abge-
ben. Solche Zertifikate und damit das
Recht, Treibhausgase auszustoßen, sind
frei handelbar – sie sind eine Handels-
ware. Damit ist das unbelastete Klima
„kommodifiziert“ worden.
Ein Bereich, in dem die Kommodi-
fizierung der Umwelt – gewissermaßen
das Anheften eines Preisschildes – ge-
rade besonders vorangetrieben wird, ist
der Schutz der Biodiversität. Diese Ak-
tivitäten – und die Kritik daran – wer-
den im Artikel ab Seite 21 eingehend
dargestellt, beispielsweise die Initiative
TEEB (The Economics of Ecosystems
and Biodiversity), die unter der Patro-
nanz des Umweltprogramms der Ver-
einten Nationen (UNEP) steht.
Auch die Weltbank ist hier nicht un-
tätig und hat die sogenannte WAVES-
Partnerschaft ins Leben gerufen.
WAVES steht für „Wealth Accounting
and Valuation of Ecosystem Services“,
etwa „Wohlstandsbilanzierung und Be-
wertung von Ökosystemleistungen“,
und hat zum Ziel, eine nachhaltige Ent-
wicklung dadurch zu fördern, dass der
natürliche Kapitalstock in die volkswirt-
schaftliche Gesamtrechnung aufgenom-
men wird.
Als Beispiel für derartige Überlegun-
gen möge das folgende, von WAVES
veröffentlichte Ergebnis dienen: Es geht
um den Wert von einem Hektar Mang-
roven an der Küste Thailands. Werden
die Mangroven durch Shrimp-Farmen
ersetzt, so können jährlich 10.949 Dol-
lar erzielt werden, viel mehr als die 955
Dollar, die der Verkauf von Holz und
anderen Produkten aus den Mangro-
ven bringt, wenn diese erhalten werden.
Wenn aber die Funktion der Mangroven
Politische Ökologie
Eine Forschungsrichtung, die Umweltprobleme
nicht als Resultat falscher Bewirtschaftung sieht,
sondern ihre sozialen Ursachen in den Blick
nimmt. So auch die gleichnamige Zeitschrift.
Freier Markt
Tony Smith: The Case Against Free Market Envi-
ronmentalism. Journal of Agricultural and Environ-
mental Ethics 8 (1995): 126-144. Eine systematische
Widerlegung der Argumente der Befürworter.
Umweltwerte
Clive Spash: How Much is that Ecosystem in the
Window? Environmental Values 17 (2008): 259–284.
Ein wortgewaltiger Gegner der Ökonomisierung
von Umweltproblemen, lehrt derzeit in Wien.
In der Geiselhaft
der Wirtschaft
„[...] Die Beherrschung des Wirtschaftssystems
durch den Markt […] bedeutet nicht weniger als
die Behandlung der Gesellschaft als Anhängsel
des Marktes. Die Wirtschaft ist nicht mehr in die
sozialen Beziehungen eingebettet, sondern die
sozialen Beziehungen sind in das Wirtschafts-
system eingebettet.“
Karl Polanyi: „The Great
Transformation“, 1944
Seite 16
Wirtschaft & Umwelt 2/2013
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Schwerpunkt
WARE UMWELT
Fotos: HAderer (1), Schuh (1)