PassagierInnen zum Kauf an-
geboten. Die meisten dieser Ta-
rife werden jedoch nie benutzt,
da die fragmentierte Struktur
dazu führt, dass übergreifende
Verkehrsdienstleistungen
(also Verkehre über mehrere
Unternehmen hinweg) nicht
nachgefragt werden und Reisen
mit mehreren AnbieterInnen
individuell geplant werden. Für
Bahnreisende ist das komplexe
Preissystem nur schwer zu
durchblicken.
Gleichermaßen wurden in
Schweden die Erwartungen
nicht erfüllt. Wie aktuelle
Untersuchungen zeigen, war
das schwedische Modell aus
wirtschaftlicher Sicht nur kurz-
fristig erfolgreich. Eines der
zentralen Ziele der Liberalisie-
rung, die Senkung der Kosten,
konnte nicht erreicht werden.
Im Gegenteil sind der Subven-
tionsbedarf durch die öffentli-
che Hand und die Ticketpreise
signifikant gestiegen. Auch die
schwedischen SteuerzahlerIn-
nen müssen sowohl für den
liberalisierten Bahnsektor als
auch für die Fahrkarten weit
mehr zahlen als zu Zeiten der
staatlichen Bahn.
Verkehrspolitische Auswir-
kungen von Liberalisierungen
sind klar. Es profitiert eine mi-
nimale Kundengruppe, die zu-
meist schon bestens versorgt ist.
Einzelne Firmen, die Punkt zu
Punkt Verkehre bestellen, etwa
bei Güterverkehren zwischen
Häfen und großen Agglomera-
tionen oder Verkehre zwischen
Großbetrieben und den Roh-
stoffzentren, haben zweifellos
durch den Preisdruck noch
mehr profitiert. Gleiches ist im
Personenverkehr festzustellen.
Gut versorgte Strecken (wie
die Westbahn) werden heiß
umkämpft, der bisherige Aus-
gleich von denMagistralen zum
Regioverkehr wird verhindert.
Folge ist, neben einem enor-
men Personalabbau und So-
zialdumping, Schließung von
Verteilzentren, nicht Bedienen
von Anschlussbahnen, Einstel-
len der Verkehre auf Strecken
(Graz-Linz, Graz-Salzburg),
Einstellen des Einzelwagenla-
dungsverkehrs usw. Schwierig
handhabbare Verkehre, wie
jene mit viel Verschub- oder
Umladetätigkeiten, werden mi-
nimiert, die Flächenversorgung
wird dem volkswirtschaftlich
ineffizienten Straßenverkehr
mit einemKostendeckungsgrad
von nur 30 Prozent kampflos
überlassen.
Viel Geld für wenige
Profiteure
Augenscheinlichste Ände-
rung eines frisch liberalisierten
Marktes, sind steigende Akti-
enkurse all jener Unternehmen,
die neu zum Zug kommen.
Für steigende Kurse bei den
neuen und einen dramatischen
Einbruch bei den alten Unter-
nehmen hat die EK auch gut
vorgesorgt. Geht es nach ihr,
werden die derzeitigen (staat-
lichen) Unternehmen, die
jedenfalls in vielen Ländern
ein hervorragendes Angebot
liefern, sogar zwangsweise
zurückgedrängt. Schließlich
werden bei Ausschreibungen
maximale Marktanteile (etwa
ein Drittel) für Bahnen inner-
halb eines Mitgliedsstaates
definiert. Angesichts der der-
zeitigen Anteile der staatlichen
Bahnen von meist jenseits
der 80% ist das vorteilhaft für
private Investoren, schließlich
muss automatisch etwas vom
zu verteilenden Kuchen übrig
bleiben: Ein sicheres Geschäft
für jeden Investor. Allen voran
werden diese Investoren, wie
seinerzeit in Großbritannien,
die Großbanken sein. Diesen ist
aber nicht einmal zumutbar, das
Risiko für geeignetes Rollma-
terial (Lokomotiven, Waggons
usw.) zu übernehmen. Dieses
Risiko hat daher laut EK die
öffentliche Hand zu tragen
und das gleich in zweierlei
Hinsicht. Einerseits werden
die Staatsbahnen enteignet.
Ihr Rollmaterial muss bei
einem Ausschreibungsverlust
verkauft werden. Andererseits
wird der öffentlichen Hand das
Restwertrisiko des Rollmateri-
als im selben Atemzug wieder
zurück übertragen. So werden
den „armen“ privaten Großin-
vestoren deren Betriebsmittel
völlig risikofrei und günstig zur
Verfügung gestellt.
Klassische Abzocke
Alles in Allem eine klassi-
sche Abzocke. Die öffentliche
Hand muss das funktionie-
rende System des öffentlichen
Verkehrs vernichten, ihre
eigenen Unternehmen – die
ein hervorragendes Angebot
liefern – zerschlagen, Groß-
investoren (wie Banken,
Versicherungen usw.) das
Betriebsvermögen zur Ver-
fügung stellen und jegliche
Steuerungsmöglichkeit über
die Bahn als Element der Da-
seinsvorsorge aufgeben. Sel-
ten stand das „K“ der „EK“ so
offensichtlich für „Kapital.
£
Politik
Die Eurobarometer-Untersuchung 2011 zeigt klar, dass der Zufriedenheitsgrad der
BahnbenützerInnen völlig unabhängig vom Liberalisierungsgrad des Bahnsystems des
jeweiligen Landes ist. Auch die Standardabweichung (R²) bestätigt dies. Österreich
liegt bei allen erhobenen Kriterien immer zumindest im guten Mittelfeld oder im oberen
Drittel. Auch die nationalen Umfragen stellen den Schienenverkehrsleistungen gute
Zeugnisse aus. Das zu ändern hat sich die EU-Kommission trotzdem zum Ziel gesetzt.
Seite 12
Wirtschaft & Umwelt 2/2013
Foto: iStockphoto.com/JacobH (1)
Kundenzufriedenheit
Gutes Zeugnis auch ohne Liberalisierung
Bahnliberalisierungsindex 2011
300
0
10
20
30
Eurobarometer KundInnenzufriedenheit 2012
40
50
60
70
80
400
500
600
700
800
900
BG
IT
RO
PL
GR
SK
EE
HU
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LT
LV
FR
ES
LU
IE
PT
CZ
DE
SE
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NL
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R 2 = 0,00028
DK
Österreich
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