Die biologische Vielfalt wurde
seit Jahrtausenden sowohl durch die
menschliche Zivilisation (durch Rodun-
gen, Landwirtschaft, CO
2
-Emissionen,
Siedlung, etc.) geprägt, ermöglichte um-
gekehrt diese aber überhaupt auch erst:
Neben der Bereitstellung von zahlreichen
GüternwieTrinkwasser,Nahrungsmittel,
Energieträger, Kleidungsfasern, Bauma-
terialien oder medizinischer Wirkstoffe
könnenÖkosysteme und ihreArten eben-
so regulierende Funktionen zugunsten
unserer Sicherheit haben. So speichern
natürliche Lebensgemeinschaften CO
2
,
schützen vor Lawinen und Hochwasser,
verhindern Erosion und regulieren das
Klima. Und selbst wenn wir Ökosysteme
nicht direkt in Anspruch nehmen, kön-
nen diese dennoch ganz wesentlich un-
sere Existenz unterstützen. Ein Beispiel
hierfür sind die tropischen Regenwälder,
welche als grüne Lunge für unseren Pla-
neten dienen. Nicht zuletzt zu erwähnen
ist auch die soziale und kulturelle Bedeu-
tung der biologischen Vielfalt, die in ei-
ner Eigenschaft von uns Menschen selbst
begründet liegt: Wir fühlen uns einfach
eher an Orte gezogen, an denen eine gro-
ße Artenvielfalt herrscht. Einfach ausge-
drückt – die bunt blühende Almwiese ist
uns doch lieber als das eintönige Grün
städtischer Parkanlagen.
Interessensfrage
Im Bewusstsein dieser außerordentli-
chen Bedeutung von Ökosystemen und
ihrer Arten für uns Menschen sehen viele
Wissenschaftler den drastisch zugenom-
men Verlust an Biodiversität als mindes-
tens so bedeutende globale Herausforde-
rung wie den Klimawandel. Als die un-
mittelbar wichtigsten Einflussgrößen auf
die globale Zerstörung und Zerstücke-
lung natürlicher Lebensräume werden
meist Landnutzungsänderungen, die (in-
tensive) Landwirtschaft, Klimaverände-
rung, Gewässerverschmutzung und Neo-
phyten (eingeschleppte Pflanzenarten,
welche die ursprüngliche Vegetation ver-
drängen) genannt. Da es besonders in von
Kulturlandschaft geprägten Ländern wie
Österreich kaum ein Ökosystem gibt, das
nicht schon seit Jahrhunderten von Men-
schen beeinflusst wird, existieren jedoch
unterschiedliche, oft konkurrierende Bio-
diversitätsauffassungen. Selbst wenn die
Sichtweisen sich übereinstimmend an
menschlichen Nutzungsbedürfnissen ori-
entieren, besteht so je nach (egoistischer)
Interessenslage nach wie vor Uneinigkeit
über die Ziele, die mit der Erhaltung von
Biodiversität verfolgt werden sollen.
Biodiversitäts-Konvention
Die Gretchenfrage hierbei lautet da-
her: Welche biologische Vielfalt soll er-
halten werden und woran orientieren sich
die Richtwerte für Biodiversität? Dass
der Begriff der Biodiversität überhaupt
Schwerpunkt
WARE UMWELT
*DI Lukas Strahlhofer, MSc
ist
Wasserwirtschafter, Umweltmanager und
Mitarbeiter der Abteilung Umwelt
& Verkehr in der AK Wien.
Seite 22
Wirtschaft & Umwelt 2/2013
in der interessierten Öffentlichkeit Ver-
breitung fand, ist zu einem wesentlichen
Teil einem internationalen Vertrag auf
der historischen Konferenz der Verein-
ten Nationen in Rio de Janeiro 1992
(„Rio-Gipfel“) zu verdanken. Damals
wurde als Antwort auf die drastisch
zunehmende Zerstörung und Zerstü-
ckelung natürlicher Lebensräume die
sogenannte Biodiversitäts-Konvention
(Convention on Biological Diversity,
CBD) ausgehandelt. Es ist das erste in-
ternationale Abkommen, das den Schutz
der biologischen Vielfalt global und
umfassend behandelt. Die drei gleich-
rangigen Ziele der Konvention sind der
Schutz der biologischen Vielfalt, die
nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile,
sowie die Zugangsregelung und der ge-
rechte Ausgleich von Vorteilen, welche
aus der Nutzung genetischer Ressour-
cen entstehen. Mit 193 Vertragsparteien
– darunter 168 Staaten wie Österreich
sowie die Europäische Union – ist die
➔
HINTERGRUND
Wie viele Arten gibt es?
Wie viele verschiedene Lebewesen auf der Erde insgesamt leben, ist um-
stritten. Wissenschaftliche Schätzungen variieren dabei zwischen zehn und
100 Millionen. Erforscht und beschrieben sind dabei lediglich rund 1,75 Milli-
onen Arten. Der größte Anteil entfällt dabei auf die Gruppe der Tiere, gefolgt
von Pilzen und Pflanzen. Auf unserem Kontinent wird die Anzahl auf rund
200.000 beheimatete Tier- und Pflanzenarten geschätzt. Besonders arten-
reich ist dabei Österreich: Allein rund 45.000 Tierarten (davon ca. 97 Säu-
getierarten und ca. 37.150 Insektenarten), 2.950 Farn- und Blütenpflanzen
sowie 1.000 Moosarten kommen hierzulande vor. Viele davon gelten leider
als gefährdet.