Schwerpunkt
Fotos: Schuh (1)
Wirtschaft & Umwelt 2/2013
Seite 23
Biodiversitäts-Konvention ihre Mit-
gliedzahlen betreffend zweifelsohne
eines der erfolgreichsten internationa-
len Vertragswerke. Dennoch fristet die
UNO-Konvention nach wie vor eher ein
Schattendasein, und die alle zwei Jahre
stattfindenden Konferenzen der betei-
ligten Staaten („Conference of the Par-
ties“, COP) werden – im Vergleich zu
den Klimakonferenzen – in der Öffent-
lichkeit kaum wahrgenommen. Hinzu
kommt, dass die Vertragsstaaten zwar
völkerrechtlich zur Umsetzung der Kon-
vention verpflichtet sind, jedoch nicht
gezwungen. Dementsprechend haben
viele Staaten auch nach dreißigjährigem
Bestehen der Konvention noch immer
keine nationale Biodiversitätsstrategie
vorgelegt. Die bei der Konferenz in
Johannesburg 2002 gesteckten Ziele,
den weltweiten Rückgang der Biodi-
versität bis zum Jahr 2010 zu stoppen,
waren damit quasi von vornherein zum
Scheitern verurteilt. Immerhin kann in
weiterer Folge dieses Scheitern auch als
Weckruf gesehen werden, denn 2010
auf der COP 10 im japanischen Nagoya
geschah in einer Reihe von Abkommen
dies, woran viele schon gar nicht mehr
glauben wollten: Die Vertragsstaaten
verabschiedeten unter anderem einen
strategischen Plan mit konkreten, veri-
fizierbaren Biodiversitäts-Zielen, den
zwanzig sogenannten „Aichi Targets“
(siehe Kasten oben).
Zwei Jahre nach dem Erfolg von Na-
goya ging es bei der UNO-Biodiversitäts-
konferenz in Hyderabad schließlich ans
Eingemachte: nämlich um eine ausrei-
chende Finanzierung der Zielerreichung
bis 2020. Auf dem Gipfel wurde dabei
überdeutlich, dass neoliberale Ideen nun
endgültig auch imNaturschutz angekom-
men sind.
Big Business
In der lautstarken Beschwörung, an-
gesichts knapper öffentlicher Kassen
den Privatsektor verstärkt einzubeziehen,
geht es jedoch um nichts weniger, als die
Zukunft des Naturschutzes selbst.
Verstärkte Anstrengungen vonseiten
der Staaten oder der internationalen Ge-
meinschaft, regulativ zum Schutz von
seltenen Arten und Ökosystemen einzu-
greifen, treten dabei häufig in den Hin-
tergrund. Statt mit Einzigartigkeit und
Existenzberechtigung von beispielsweise
Pandas und Flussdelphinen zu überzeu-
gen, sollen nun nackte „konkrete“ Zah-
len dienen. Eine zentrale Grundlage der
Debatte war dabei das von den Umwelt-
ministerInnen auf dem G8+5 Treffen in
Potsdam 2007 initiierte Programm TEEB
(The Economies of Ecosystems and Bio-
diversity), das eineökonomischeWertung
von „Leistungen“ der Natur vornimmt.
BefürworterInnen sehen in der fehlenden
Einbeziehung von kostenlosen Leistun-
gen der Natur in privatwirtschaftliche
und volkswirtschaftliche Rechnungen die
Hauptursache für den Verlust an biologi-
scher Vielfalt. In dasselbeHorn bläst auch
dieWeltbank mit ihrer InitiativeWAVES
(„Wealth Accounting and the Valuation
of Ecosystem Services“), welche eine
neue volkswirtschaftliche Rechnungsfüh-
rung unterstützt, die den Wert von Öko-
systemdienstleistungen einbezieht.
Aber wie genau soll der Privatsektor,
der bisher Biodiversität meist ignorier-
te – viel häufiger aber noch von deren
Rote Listen: Österreich
Hierzulande gelten 27% der Säugetiere, 27%
der Vögel, 60% der Kriechtiere, 33% der
Farn- und Blütenpflanzen sowie 57% der 93
vorkommenden Waldbiotoptypen und 90%
aller 61 Grünlandbiotoptypen als gefährdet.
Biodiversitätsstrategie
Zur Umsetzung der Vorgaben aus der EU-Biodiversitäts-
strategie für das Jahr 2020 wird zurzeit eine neue Biodiver-
sitätsstrategie für Österreich entwickelt. Details unter:
biolat/biodivstrat_2020/
Geschäftsmöglichkeit
Laut TEEB-Studie wird ein in den USA bereits
bestehender Markt für sogenannte „Feuchtge-
biets-Zertifikate“ auf 1,1 bis 1,8 Mrd. US-Dollar
geschätzt.
20 Ziele auf internationaler Ebene sind
folgenden fünf strategischen Zielen
untergeordnet:
Bekämpfung der Ursachen des Rück-
gangs der biologischen Vielfalt durch
ihre durchgängige Einbeziehung in alle
Bereiche von Staat und Gesellschaft
Den Druck auf die Biodiversität redu-
zieren und ihre nachhaltige Nutzung
fördern
Verbesserter Zustand der biologi-
schen Vielfalt durch Sicherung der
Ökosysteme und Arten sowie der
genetischen Vielfalt
Erhöhung des sich aus der biologi-
schen Vielfalt und den Ökosystemleis-
tungen ergebenden Nutzens für alle
Verbesserte Umsetzung durch partizi-
pative Planung, Wissensmanagement
und Kapazitätsaufbau
Die konkreten Ziele bis 2020 umfassen
dabei zum Beispiel alle Subventionen,
die der biologischen Vielfalt schaden,
zu beseitigen (Ziel 3) sowie 17 Prozent
der Landfläche und zehn Prozent der
Meeresfläche jedes Staates unter Schutz
zu stellen (Ziel 11).
Aichi Targets 2010
Ziele für den Schutz der Biodiversiät
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Kosten-Nutzenanalysen für Biodiversität
sind eine viel zu enge ökonomische Reduzie-
rung der Bedeutung von Artenvielfalt.