Zerstörung profitierte – nun in Form
neuer Geschäftsmöglichkeiten mit ins
Boot geholt werden? Einen beispielhaf-
ten Einblick des Möglichen bietet hier-
bei Australien, wo es Bauunternehmen
in einem Pilotprojekt ermöglicht wurde,
ähnlich wie beim CO
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-Emissionshandel,
sogenannte „Biodiversitäts-Zertifikate“
zu kaufen, um damit negative Auswir-
kungen von Bauprojekten auf die Bio-
diversität vor Ort zu „kompensieren“.
Gleichzeitig wurde die Möglichkeit ge-
schaffen, solch Zertifikate auch selbst
zu generieren, indem man geschädigtes
Land woanders „verbessert“. Geht es
nach der TEEB-Studie, darf man außer-
dem beträchtliche Geschäftsmöglichkei-
ten im Handel mit Umweltzertifikaten
dieser Art erwarten. Selbstverständlich
werden dann auch neue Dienstleistungen
wie Beratung, Vermittlung, oder Fond-
management nötig. Im durch die Finanz-
krise angeschlagenen Bankensektor, wo
man eifrig Ausschau nach Innovationen
hält, muss dies wie Musik in den Ohren
klingen. Statt sich mit strengen Schutz-
bestimmungen, langen Verfahren und
nervigen Regulierungen herumschlagen
zumüssen, sollen nun also neue Handels-
möglichkeiten und innovative Finanzins-
trumente geschaffen werden.
Kritik
Aber ist es als Grundlage hierfür nun
möglich, Biodiversität angesichts ihres
stetigen – oft langfristigen – natürlichen
sowie unweigerlich menschlich beein-
flusstenWandels zu messen, um sie dann
auch noch einer Kosten-Nutzenanalyse
zu unterziehen? Trotz der verlockenden
Möglichkeit, die Bedeutung der Natur in
Zahlen plakativ greifbar zu machen, läuft
für Kritiker dieser Ansatz nicht zu Un-
recht auf eine viel zu enge ökonomische
Reduzierung der Bedeutung von Natur
und Artenvielfalt hinaus. Aus ihrer Sicht
ist es allein unmöglich, die Vielzahl oft
unterschiedlich ausgeprägter sozialer und
kultureller Bedeutungen von Biodiversi-
tät hinreichend darzustellen, geschweige
denn zu monetarisieren. Auf Basis un-
zähliger Forschungsergebnisse müssen
wir aber wohl auch gar nicht alles mes-
sen, um zu wissen, wie es um Natur und
Artenvielfalt steht. Gefragt ist nun vor
allem tiefgreifender (politischer) Wille
zum Handeln.
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Schwerpunkt
Seite 24
Wirtschaft & Umwelt 2/2013
Interview folgt
➔
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Mag.a Alexandra Strickner
ist
Ökonomin, arbeitet als politische
Koordinatorin der Allianz
„Wege aus der Krise“ und ist
Mitbegründerin und Obfrau von
Attac Österreich.
Weltweit sucht Kapital Anlage-
möglichkeiten. Welche Bedin-
gungen benötigen „ethische
Investments“, um tatsächlich
ökologische und soziale Verbes-
serungen zu erzielen?
Strickner:
Das grundlegende
Problem dieses Ansatzes ist,
dass er der Logik verhaftet bleibt,
dass Marktmechanismen für alle
Probleme die Lösung sind. Das
ist falsch. Wenn wir wirkliche
Antworten für Klimawandel, die
Zerstörung der Biodiversität oder
die zunehmende Arbeitslosigkeit
finden wollen, müssen wir Ursa-
chenforschung betreiben. Die zen-
tralen Ursachen der ökologischen
und sozialen Krise sind die Profit-
orientierung unseres Wirtschafts-
systems, der damit verbundene
permanente Wachstumszwang und
die immer größere Konzentration
von Vermögen.
Globale Umweltabkommen
waren bislang wenig erfolgreich.
Ist von der Privatisierung von
Nutzungsrechten an Natur und
Umwelt mehr zu erwarten?
Strickner:
Die Erfahrungen mit
Marktlösungen zeigen, dass sie die
ökologischen Probleme verschär-
fen. Ein Beispiel dafür ist der euro-
päische Emissionshandel. Die Idee
dabei ist, Treibhausgasemissionen
einen Preis zu geben und durch
Anreize für klimafreundliche Inno-
vationen zu reduzieren. Dieser Weg
ist gescheitert. Die Emissionen
sind deutlich gestiegen. Die Pri-
vatisierung von Nutzungsrechten
ändert nichts an den strukturellen
Ursachen der Naturzerstörung.
Wir müssen unsere Energie-,
Verkehrs-, Landwirtschafts-, Pro-
duktions-, und Verteilungssysteme
grundlegend verändern. Dazu ge-
hören lokale Wirtschaftskreisläufe,
agrarökologische Produktionswei-
sen, die lokale und demokratische
Produktion sicherer, erneuerbarer
Energien und die Re-Orientierung
der Wirtschaft auf die tatsächlichen
Bedürfnisse der Menschen.
Sie engagieren sich auch beim
zivilgesellschaftlichen Projekt
„Wege aus der Krise“ gegen
neoliberale Kürzungspolitik.
Führt dieser Weg eher zu „Green
Growth“ - grünerem Wachstum,
oder zu „De-Growth“, also einer
Abkehr vom Wachstumspara-
digma?
Strickner:
Die Allianz „Wege
aus der Krise“ stellt die Frage ins
Zentrum, wie wir ein gutes Leben
für alle Menschen in Österreich
sicherstellen können – mit allen
ökologischen und sozialen Heraus-
forderungen. Wie können wir z.B.
Mobilität für alle sicherstellen,
wissend dass Erdöl endlich ist und
Agrotreibstoffe keine Alternative
sind. Daraus ergeben sich not-
wendige Zukunftsinvestitionen, die
Arbeit schaffen, die aus einer sozi-
alen und ökologischen Perspektive
Sinn machen. Es geht um die
Frage wie wir leben wollen und um
konkrete Schritte dorthin. Die Frage
nach welchem Wachstum stellt
sich so abstrakt dann nicht mehr.
INTERVIEW MIT ALEXANDRA STRICKNER VON ATTAC
WAS IST UNS DIE UMWELT WERT?
Heutzutage soll alles monetär bewertbar gemacht werden – auch
Ökologie und Nachhaltigkeit. Doch was hat das für Auswirkungen
auf die Menschen und die Umwelt? Ist die Monetarisierung von
Umweltgütern ein gangbarer Weg?