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AK FÜR SIE 05/2014
Betriebe
Drehen an der
Arbeitszeit?
Längere, flexiblere Arbeitszeiten fordern Wirt-
schaftsvertreter. Aber die Beschäftigten in
Österreich arbeiten längst über den klassischen
8-Stunden-Tag hinaus, wenn es sein muss.
B
ei uns auf der Baustelle ist flexi-
bles Arbeiten Programm“, sagt
Robert Baranyai. Der Bauleiter
von Integral sorgt seit Juli 2013
mit seinen 15 Monteuren und
Schweißern dafür, dass die etwa 500
Trassenmeter Rohre fürs neue Fernheiz-
werk Arsenal zeitgerecht gut drei Meter
tief unter die Erde verlegt werden. Weil auf
einer Baustelle nie alles nach Plan läuft,
ändert sich der Termin- und Arbeitsplan
jede Woche. Und das heißt auch mal, län-
ger bleiben als die üblichen achteinhalb
Stunden.
Damit die Firma ihren Auftrag pünktlich
erledigen kann, aber die Beschäftigten da-
bei nicht auf der Strecke bleiben, handelt
Integral-Arbeiter-Betriebsrat Ernst Hal-
wachs für jede Baustelle eine genau maß-
geschneiderte Be-
triebsvereinbarung
aus. Bis zu zehn
Stunden kann der
Arbeitstag im Notfall
ausgedehnt werden.
„Länger
arbeiten
bringt nichts: Die Ar-
beitsunfallzahlen ge-
hen an langen Ar-
beitstagen hoch“, so
Halwachs.
Die Industriellen-
vereinigung will den-
noch längere Ar-
beitstage. Sie macht sich für einen
12-Stunden-Tag stark, „um Auftragsspit-
zen“ abdecken zu können. „Eine unver-
ständliche Forderung“, so Betriebsrat Hal-
Bauleiter Robert
Baranyai vorm Termin-
plan: Jede Woche ist
Flexibilität gefragt
wachs. „Wir verlängern die Arbeitszeit nur
für ganz dringende Notfälle. Die Arbeit im
Leitungsbau ist hart.“ So sieht das auch
Walter Unterweger. Seit 21 Jahren schweißt
und montiert er Rohre für Integral. „Acht
Stunden Arbeit, bei jedem Wetter draußen,
am Abend spürst du das überall“, sagt er.
Weniger ist mehr
„Der Acht-Stunden-Tag wird für Vollzeitar-
beitskräfte die Regel bleiben“, sagt auch AK-
Sozialpolitik-Experte Christoph Klein. „Die
Debatte um sinnvolle Arbeitszeiten, die es
Arbeitszeit mit Augenmaß
AK Präsident Rudi Kaske zur Arbeitszeit-Debatte
270 Millionen Überstunden
im Jahr leisten die Beschäftigten in
Österreich. Die Beschäftigten sind flexibel, wenn „ihre“ Firma sie braucht.
Aber es geht nicht ohne Pause, ohne Auszeit für die Freizeit oder die
Familie. Deshalb: Der 8-Stunden-Tag bleibt die Regel. Ausnahmen
regeln die Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen.
Wer jetzt für alle ArbeitnehmerInnen überlange Arbeitstage bis zu 12 Stunden fordert,
weiß nicht, wovon er redet: Die große Arbeitsproduktivität, der Fleiß der Beschäftigten, haben schon
jetzt einen hohen Preis: Die Zahl der Menschen, die wegen psychischer Überlastung, wegen Stress
und Burnout nicht mehr arbeiten können, steigt seit Jahren an. In Ziffern: Rund drei Milliarden Euro
kostet die Behandlung von arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen in Österreich jährlich.
Einzelne verlängerte Arbeitstage kann es nur für wenige geben, die an überlange Arbeitstage auch
entsprechende Erholungsphasen anhängen können. Beim Thema Arbeitszeit sind ganz andere
Rezepte zeitgemäß:
Betriebsvereinbarungen und die Kollektivverträge sind die Instrumente.
Die werden schon längst genützt, immer mit viel Augenmaß und mit Blick auch auf die Wirtschaft.
Fotos: Christian Fischer